Deutschland

Demokratisch oder von oben herab? Merkels Kritik stiftet Chaos

Merkels Kritik an den Ländern in der Talkshow "Anne Will" schlägt hohe Wellen. Einige Länderchefs fühlen sich auf den Schlips getreten, andere Länder begrüßen sogar Merkels Vorstoß. Christian Lindner (FDP) kritisiert dagegen Merkels Gipfeldiplomatie.
Demokratisch oder von oben herab? Merkels Kritik stiftet ChaosQuelle: www.globallookpress.com © www.imago-images.de

In der Talkshow Anne Will hat die Kanzlerin gezeigt, wie geschickt sie darin ist, politischen Druck aufzubauen. Mithilfe der Moderatorin sandte sie eine klare Botschaft an die Länder: "Ihr tut nicht das, was ich sage." Die Worte haben ihre Wirkung nicht verfehlt, denn sie sorgen eher für Chaos als für Ruhe.

Berlin, das Saarland, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen: Merkel machte deutlich, wer ihrer Meinung nach von der wahren Lehre abgewichen ist. Diese keilen zurück. Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann verteidigte geplante Öffnungen in rund 25 Modellkommunen. "Ich befürchte, wir werden mit einem gewissen Infektionsgeschehen in Deutschland leben müssen. Deshalb sind solche Modellversuche, wie ich finde, nicht unvorsichtig oder gar leichtsinnig", sagte der CDU-Politiker dem Radiosender NDR Info.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD), wies Merkels Kritik zurück. "Ich glaube nicht, dass es klug ist, aus dem Kanzleramt heraus jetzt ein Länder-Bashing zu betreiben", sagte er in der Tagesschau.

Der Ministerpräsident des Saarlands Tobias Hans (CDU) kündigte an, an seinem Modellprojekt für Lockerungen durch massenhaftes Testen festzuhalten. Damit bringe man die Menschen dazu, im Freien getestet zusammenzukommen statt im Verborgenen ohne Tests und Maßnahmen. "Wir werden diese Strategie weiterverfolgen", kündigte er an. Zugleich setze er weiter darauf, dass die Länder zusammen mit der Bundesregierung Entscheidungen treffen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf der Union vor, der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Weg zu stehen. "CDU und CSU wirken komplett kopf- und führungslos", sagte er. Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet dagegen kritisierte, die SPD versuche, die Pandemie parteipolitisch zu nutzen. "Und es hilft uns auch nicht weiter, wenn Bund und Länder sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben."

"Wir haben keinen Einfluss"

Andere sehen das Verfahren der Bund-Länder-Konferenz als gescheitert an. Christian Lindner (FDP) kritisiert seit geraumer Zeit die Gipfeldiplomatie der Kanzlerin. Noch bevor die Osterregelung der Regierung wieder kassiert worden war, forderte er eine neue Verfahrensweise für die Abstimmung von Bund und Ländern. Auf Nachfrage eines Journalisten machte sich Lindner Luft. "Wir haben keinen Einfluss. Gestern Nacht ist sogar die Unterrichtung der Landeskabinette abgesagt worden. (...) Die Krisenstrategie wird vom Kanzleramt geprägt, die Ministerpräsidenten stimmen zu, die Länder müssen nachvollziehen. Und das ist ein Ausnahmezustand in unserem demokratischen, föderalen Rechtsstaat, der so nicht mehr hinnehmbar ist." Lindner forderte weiter, die Gipfel an den Tagesanfang zu legen, damit Länderkabinette über die Beschlüsse beraten können.

Laschet will die Konferenz wieder in Präsenz und im kleinen Kreis durchführen. "Aber dass 60, 70, 80 Leute an einer solchen Konferenz beteiligt sind, trägt nicht zur Effektivität bei."

Alleingang der Regierung überhaupt möglich?

Andere Stimmen fordern gar, dem Bund mehr Macht zu verleihen, wie Merkel es vorgeschlagen hat. Innenminister Horst Seehofer sprach sich dafür aus, dass der Bund stärker das Ruder übernimmt. Dafür könne entweder das Infektionsschutzgesetz präzisiert oder ein eigenes Gesetz beschlossen werden, sagte der CSU-Politiker der Süddeutschen Zeitung.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte in den ARD-Tagesthemen, er könne sich mehr Kompetenzen in Bundeshand vorstellen, die die Länder zu klaren Regeln zwängen. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte den Bund zum Handeln auf. "Man kann es im Infektionsschutzgesetz festlegen – ist mir auch recht –, Hauptsache, es ist ein einheitlicher Rahmen", sagte er der dpa.

Nach dem Grundgesetz wäre dies auch möglich. So kann der Bund ein Gesetz erlassen, das vor Ländergesetzen Vorrang genießt. Doch mal eben so das Infektionsschutzgesetz umschreiben könnte schwierig werden. Wie bei jedem Gesetz müssen Bundestag und Bundesrat separat über Änderungen beraten. Damit hätte man die Ministerpräsidenten wieder drin. Und ob die bereit sind, die Beschränkung ihrer Handlungshoheit einfach so abzunicken, kann sehr wohl bezweifelt werden.

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