Mit Impfungen und Schnelltests wollen einige Bundesländer und Kommunen den Menschen in Deutschland einen Teil ihrer genommenen Freiheiten zurückgeben. Das Tübinger Modell macht Schule und soll nun auch in Berlin umgesetzt werden, wie der Senat am Samstag entschieden hat. Dieser Schritt ist nicht unumstritten, da es gegen die bei der Bund-Länder-Konferenz vereinbarte "Notbremse" verstößt, wonach die erfolgten Lockerungen des Lockdowns wieder zurückzunehmen seien, wenn die sogenannte Siebentageinzidenz über 100 steigt.
Dieses massiv ausgeweitete Testregime hat aber zur Folge, dass Menschen getestet werden, die keinerlei Krankheitssymptome einer sogenannten "Corona-Infektion" aufweisen, bei positivem Testergebnis aber dennoch dramatische Folgen zu tragen haben. Wird der Schnelltest von fachkundigem Personal durchgeführt, erfolgt die Meldung eines positiven Resultats ebenso an das Gesundheitsamt wie bei einem PCR-Test – mit denselben Konsequenzen: Die betreffende Person muss sich umgehend in die Selbstisolation begeben, einschließlich aller Familienangehörigen im gleichen Haushalt. Erst mit einem anschließenden PCR-Test – der zwar als "Goldstandard" gilt, aber auch längst nicht mehr unumstritten ist – kann bei negativem Testergebnis die Quarantäne wieder aufgehoben werden.
Jedes zweite positive Antigen-Schnelltestergebnis ist falsch
Bei der Bundespressekonferenz am Freitag, an der auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Lothar Wieler als Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) teilnahmen, stellte sich nun heraus, dass jedes zweite Schnelltestergebnis falsch war, wie die später erfolgten PCR-Tests zeigen sollten.
Der RKI-Chef klärte auf, dass von all den gemeldeten Daten in den ersten zehn Kalenderwochen dieses Jahres, die durch "PCR bestätigt sind", also positive Laborbestätigungen, vier Prozent auf Antigen-Tests zurückzuführen wären. Und nur die Hälfte davon hätte sich nach dem PCR-Test tatsächlich auch als positiv bestätigt, sagte Wieler. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: Von den laut RKI-Situationsbericht 833.188 positiven Laborbestätigungen in dem fraglichen Zeitraum bis zur 10. Kalenderwoche 2021 waren demnach 33.327 (4 Prozent) auf die Schnelltests mit positiven Ergebnis zurückzuführen, und davon war jedes zweite Ergebnis falsch. Wieler betonte auch nochmals explizit, dass diese Daten von Tests stammen, die von entsprechend geschultem Fachpersonal durchgeführt wurden.
Das bedeutet, dass in den ersten zehn Wochen im Jahr 2021 den Gesundheitsämtern bundesweit über 16.000 angeblich positive Testergebnisse gemeldet wurden, die sich im Nachhinein als falsch erwiesen. Aber dennoch hätten sich die betreffenden Personen laut den gültigen Infektionsschutzverordnungen samt ihrer im selben Haushalt lebenden Angehörigen in die Quarantäne begeben müssen.
KORREKTUR: Die erste Fassung ging davon aus, dass die Gesamtzahl der gemeldeten Tests gemeint war. Doch Lothar Wieler sprach von "PCR-bestätigten" Tests, d.h. positiven Labornachweisen.
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