Seit rund drei Wochen soll im Medienkonzern Axel Springer ein Compliance-Verfahren laufen. Bei der internen Untersuchung geht es um mögliches Fehlverhalten des Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt gegenüber Mitarbeiterinnen. Es handele sich laut übereinstimmenden Medienberichten um mehrere Fälle, die zum Teil Jahre zurückliegen sollen. Demnach soll es dabei um möglichen Machtmissbrauch, Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen und Mobbing gehen.
Wie das Branchen-Magazin Horizont vor wenigen Tagen berichtete, soll es außerdem in diesem Verfahren "dem Vernehmen nach zum einen um angeblichen Drogenmissbrauch" des Bild-Chefs gehen, was Julian Reichelt bestreite. Außerdem soll es laut Horizont "um eine Reihe intimer, aber einvernehmlicher Beziehungen" gehen, die der Bild-Chefredakteur in den vergangenen Jahren mit Mitarbeiterinnen geführt hätte. Laut dem Bericht sollen die Frauen behaupten, "sich nach dem Ende der Beziehungen von Reichelt unfair behandelt gefühlt zu haben". Es soll sogar von Mobbing die Rede sein.
Wie es nun in einem Bericht beim Spiegel heißt, sollte auf mindestens eine Betroffene "wohl Druck ausgeübt werden". Laut Bericht soll ein Mitarbeiter aus der Bild-Führung, demnach ein Reichelt-Getreuer, versucht haben, mit einer der Frauen Kontakt aufzunehmen. Angeblich demnach, um ihr von einer Aussage abzuraten.
Laut Spiegel sollen die Reichelt angelasteten Affären mit jungen Kolleginnen in der Redaktion "ein offenes Geheimnis" gewesen sein. Er soll auch Volontärinnen und Praktikantinnen "schon mal über Instagram zum Abendessen eingeladen haben". Demnach sei es einerseits zu raschen Beförderungen gekommen, aber bisweilen auch zu "rasanten" Karriereabstürzen. Laut dem Bericht würden seine Mitarbeiter Reichelts Benehmen intern mit den Worten "vögeln, fördern, feuern" umschreiben.
Gemäß dem Bericht im Spiegel hätte es in der Vergangenheit bereits zwei Compliance-Verfahren gegeben. So soll Reichelt angeblich im Jahr 2018 vorgeworfen worden sein, "eine PR-Agentur mit Aufträgen und freundlichen Artikeln bedacht zu haben, weil er mit deren Mitbetreiberin eine Liaison hatte". Im Konzern wäre demnach der Fall letztlich "als unproblematisch eingestuft" worden. In einer zweiten Untersuchung wäre es angeblich um Reichelts "vermeintlichen Kokainkonsum" gegangen. Der Bild-Chef soll dies bestritten haben, und es hätte auch keine Beweise gegeben.
Das laufende Compliance-Verfahren bestätigte der Konzern laut einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa inzwischen im Firmenintranet gegenüber seinen Mitarbeitern. Über Details der Untersuchung wurden keine Auskünfte erteilt. Die dpa zitiert jedoch aus dem Intranet-Eintrag:
"Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Das bedeutet: Es liegt bislang kein Ergebnis vor, weder in die eine noch in die andere Richtung. Julian Reichelt bestreitet die Vorwürfe."
Man wolle so viel Transparenz wie möglich. Man wolle auch, dass jeder ohne Angst auf mögliche Missstände und Fehlverhalten hinweisen könne. "Wir werden aber keine Form der Vorverurteilung zulassen", zitiert die dpa weiter aus dem Eintrag.
Gegenüber dem Spiegel teilte nun ein Sprecher des Konzerns mit: "Wir müssen in solchen Situationen immer und sehr grundsätzlich unterscheiden zwischen Gerüchten, Hinweisen und Beweisen."
Die Compliance-Abteilung des Konzerns hat die renommierte Londoner Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer mit der Aufklärung des Sachverhalts betraut.
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