Die Verstrickung von Unionspolitikern in Geschäfte mit dem Kauf von Corona-Schutzmasken haben die Union aus Sicht von Fraktionsvize Gitta Connemann in ihre schwerste Krise seit über 20 Jahren gebracht. Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte Connemann:
"Wir befinden uns in der schwersten Krise seit der Spendenaffäre. Nur wenn wir mit aller Konsequenz und Härte reagieren, werden wir wieder Vertrauen zurückgewinnen können."
Die Spendenaffäre hatte die CDU 1999/2000 schwer erschüttert.
Hintergrund der aktuellen Krise sind Maskengeschäfte der Abgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU). Gegen Nüßlein ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachtes der Bestechlichkeit. Löbel hat eingeräumt, dass seine Firma Provisionen von rund 250.000 Euro für das Vermitteln von Kaufverträgen für Corona-Schutzmasken erhalten hat. Bei ihm prüft die Staatsanwaltschaft, ob ein hinreichender Anfangsverdacht zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegeben ist.
Beide Politiker haben inzwischen ihre jeweilige Partei verlassen. Löbel hat sein Bundestagsmandat mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Nüßlein will im Herbst nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) forderte Nüßlein in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" auf, sein Mandat abzugeben. Für seine Fraktion sei klar:
"Geldverdienen an der Krise, das geht nicht."
Das sei "einfach unmoralisch" und diskreditiere auch alle anderen Kollegen, die "gerackert" hätten in der Krise. Dementsprechend sei die Wut in der Fraktion "sehr, sehr groß". Mit Hinweis auf die in Rede stehenden Summen an Provisionen von mehreren Hunderttausend Euro sagte Brinkhaus: "Das ist irre. Das ist mehr, als die Bundeskanzlerin verdient."
Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) appellierte wie zuvor CDU-Chef Armin Laschet an die eigenen Reihen, mögliche weitere Fälle offenzulegen. So sagte Frei der Rheinischen Post:
"Jeder Abgeordnete weiß ganz genau, worum es geht. Es wäre besser, unmittelbar für etwaig gemachte Fehler einzustehen und rasch die notwendigen Konsequenzen zu ziehen."
Ein Aussitzen sei nicht akzeptabel. Auf die Frage, ob er mit weiteren Fällen rechne, sagte Frei: "Das ist nicht auszuschließen, im Moment aber reine Spekulation."
Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatten am Montag für die Unionsfraktion strengere Regeln angekündigt. In der Augsburger Allgemeinen erklärte Fraktionsvize Frei, das bisherige Zehn-Stufenmodell für die Veröffentlichung von Einkünften im Internet soll überarbeitet werden. Er sei zuversichtlich, dass es noch in dieser Legislaturperiode eine Lösung gebe. Derzeit ist das System nach Beträgen gestaffelt von 1.000 bis über 250.000 Euro Einnahmen im Monat.
Der SPD geht die Unionsankündigungen nicht weit genug. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der Rheinischen Post:
"Wer echte Aufklärung und Konsequenzen ankündigt, der kann sich nicht mit internen Richtlinien und Selbstverpflichtungen zufriedengeben."
Die Union müsse den Worten der Empörung aus Partei- und Fraktionsspitze ernsthafte Taten folgen lassen. Die SPD-Fraktion setzt ihrerseits auf einen Zehn-Punkte-Plan. Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit sollten demnach nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe eingestuft werden. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider mahnte, die Union müsse jetzt beweisen, dass sie es ernst meine. "Die kommenden Tage werden entscheidend sein", sagte er der Saarbrücker Zeitung.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, betonte, die CDU/CSU habe hier ganz offensichtlich ein strukturelles Problem. "Deshalb ist sie besonders gefordert, nun für schärfere Regeln zu sorgen", sagte Haßelmann der Passauer Neuen Presse. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte dagegen am Donnerstagabend bei einem Rededuell der Südwest Presse zur Landtagswahl von einem Fehlverhalten Einzelner gesprochen. "Das soll man erstmal auch so benennen und nicht rumspekulieren", sagte Kretschmann.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), mahnte in der Neuen Osnabrücker Zeitung, zwischen Korruption und dem Einsatz eines Abgeordneten für seinen Wahlkreis sorgfältig zu unterscheiden. Auch Fraktionsvize Frei lehnte ein Verbot von Nebentätigkeiten ab. Es sei mit Blick auf die Unabhängigkeit von Abgeordneten "sogar wünschenswert, dass er nicht nur mit Politik sein Geld verdient", sagte Frei.
Auch FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann betonte, wenn das Parlament ein Spiegel der Gesellschaft sein soll, müssen Berufsausübung und Nebentätigkeiten möglich sein. FDP-Abgeordnete hätten Angebote für Schutzausrüstungen weitergeleitet und Kontakte hergestellt, um einen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie zu leisten. "Im Gegensatz zur Union gibt es jedoch keinerlei Hinweise auf finanzielle Gegenleistungen oder andere Vorteile", sagte Buschmann der Welt.
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(dpa/rt)