Ein neues Gutachten nährt Zweifel an der Allein-Täterschaft von Anis Amri beim Weihnachtsmarkt-Anschlag auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016, bei dem zwölf Personen starben und Dutzende Personen verletzt wurden. Möglicherweise war Amri nicht der Fahrer des Lkws und damit nicht der Täter des Anschlags. Diesen Schluss legt ein Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsklinik Schleswig-Holstein nahe, über das das RedaktionsNetzwerk Deutschland(RND)berichtet.
Das Gutachten wurde vom Untersuchungsausschuss des Bundestags in Auftrag gegeben und ging dem Gremium in der vorigen Woche zu. Das Papier analysiert unter anderem die DNA-Spuren an der Pistole, mit der Amri den polnischen Lkw-Fahrer Lukasz Urban erschossen haben soll, sowie die Spuren in der Fahrerkabine des Lkws, der auf den Weihnachtsmarkt gefahren wurde.
Hinsichtlich der Pistole heißt es: "Es kann nicht sicher festgestellt werden, dass die bei Amri sichergestellte Waffe auch die Tatwaffe war, die gegen Urban eingesetzt worden war." Das Projektil und das nach dem Schuss übriggebliebene Projektilfragment, "die bei der Obduktion Urbans aus dessen Schädel gesichert worden waren, waren zu deformiert, um eine ballistische Zuordnung zur oben genannten Waffe zu ermöglichen".
Mit Blick auf die Fahrerkabine heißt es, es sei "nicht ableitbar, dass eine bestimmte Person (zum Beispiel Amri) den Lkw gefahren […] oder sich lediglich als Beifahrer in der Führerkabine aufgehalten hat". Dafür habe eine unbekannte zweite Person, die im Gutachten als "UP2" bezeichnet wird, "in vergleichbarem Ausmaß DNA-Spuren im Lkw-Führerhaus hinterlassen wie Amri". Es sei daher
"grundsätzlich nicht auszuschließen bzw. verglichen mit Amri nicht weniger oder mehr plausibel, dass UP2 den Lkw gefahren haben kann."
Generell sei ein anderer Ablauf des Attentats aufgrund der DNA-Spuren "nicht ausschließbar".
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic, die im Untersuchungsausschuss mitarbeitet, sagte dem RND bezüglich der Version des Bundeskriminalsamts, die von einer Allein-Täterschaft Amris ausgeht:
"Es kann so gewesen sein, wie das Bundeskriminalamt sagt. Es kann aber auch anders gewesen sein. Es könnte sein, dass noch weitere Leute mitgemischt haben, ohne dass man das eingehend untersucht hat. Das ist der Punkt."
Ihr Fraktionskollege Konstantin von Notz, der ebenfalls im Untersuchungsausschuss engagiert ist, sagte dem RND:
"Wahrscheinlich saß Anis Amri im Lkw. Aber wir bezweifeln zumindest, dass er der Fahrer war."
Notz argumentiert, der Tunesier Amri habe sich zu dem Zeitpunkt immerhin schon eineinhalb Jahre in Deutschland aufgehalten, ohne in der Zeit je Lkw gefahren zu sein. Davor habe er vier Jahre in Italien im Gefängnis gesessen. In Tunesien soll Amri zwar einmal mit einem 7,5-Tonner unterwegs gewesen sein. Trotzdem erstaune, wie er am Tattag einfach so einen 40-Tonner übernommen haben soll.
"Man sollte deshalb die Frage aufwerfen, wer die UP2 eigentlich ist. Das ist eine relevante Frage."
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