Dass ab dem 1. März die Garten- und Baumärkte in Bayern wieder öffnen dürfen, hat Anfang der Woche für Verstimmung in Baden-Württemberg gesorgt. Dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder wurden Alleingänge bei der Öffnungsstrategie vorgeworfen – gerade Söder, der nach Aussagen des baden-württembergischen Regierungssprechers Rudi Hoogvliet "immer der harte Hund" war. Mittlerweile gibt es zahlreiche Lockerungsschritte in verschiedenen Bundesländern (Bayern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt) – noch bevor eine neue Bund-Länder-Beratung, die für den 3. März geplant ist, eine bundesweite Lockerung des Lockdowns beschlossen hat. Die Bild-Zeitung titelt:
"Meuterei gegen Merkel"
In einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland(RND) nahm Söder Stellung zu seinem Lockerungsvorstoß. Gefragt, warum gerade er "als bisheriger Mahner" nun anfange zu öffnen und ob er "die Nerven" verliere, antwortete Söder: "Im Gegenteil". Man passe "nur Details an, die in anderen Bundesländern bei schlechteren Werten schon länger geöffnet sind". Zudem habe man in Bayern "eine umfassende FFP2-Maskenpflicht und sogar Masken in der Grundschule".
"Aber bei sinkenden Werten muss man immer die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen abwägen."
Die Kritik aus Baden-Württemberg wies Söder zurück: "Auch in unserem Nachbarland Hessen sind Baumärkte geöffnet, und auch Baden-Württemberg will Gartencenter vorzeitig aufmachen". Bayern habe "die mit Abstand strengsten Regeln" und das sei "erfolgreich".
"Wir haben aber die Herausforderung, dass wir eine breite Spreizung des Infektionsgeschehens haben. Deshalb wenden wir im Grenzbereich eine spezielle Hotspot-Strategie an. Neben den Grenzkontrollen gibt es dort zusätzliche Impfdosen und deutlich mehr Tests durch mobile Schnelltestzentren."
Die Grenzkontrollen als solche verteidigte der CSU-Vorsitzende. Der Bund habe "Tschechien und Tirol zu Mutationsgebieten erklärt". Man schütze damit die Bevölkerung und "darauf kommt es an". Mit Hinblick auf die Ministerpräsidentenkonferenz am 3. März erklärte Söder:
"Wir wollen schrittweise öffnen, aber mit Vernunft und Vorsicht. Wir dürfen angesichts der Mutation keinen Blindflug starten. Ein Rückfall wäre der denkbar schlechteste Weg. Die Politik darf jetzt nicht die Nerven verlieren. Öffnen ja, aber klug und umsichtig."
Als "Steuerungsinstrument" verweist Söder auf "die Inzidenzzahlen". Eine "intelligente Öffnungsmatrix" solle sich "an den Zahlen von 35 und 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen orientieren". Diese Werte stünden "aus gutem Grund fest und sollten nicht täglich verändert werden".
"Die Öffnungen müssen dann nach Daten und nicht nach einem Datum erfolgen. Das muss verständlich und für alle nachvollziehbar sein. Eine generelle Öffnungshektik hilft niemandem. Wir kommen in einzelnen Schritten besser voran. Dann müssen wir sehen, wie man dauerhaft das Impfen und Testen in diese Konzeption integrieren kann."
Beim Thema Impfen war der bayerische Ministerpräsident gestern in die Schlagzeilen geraten, weil er beim Bayerischen Rundfunk anregte, "die Priorisierung völlig neu" zu überlegen. Hintergrund der Aussagen waren die Vorbehalte der Bevölkerung gegen den Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns AstraZeneca. Nach Ansicht Söders müsse die Politik nicht nur überlegen, wie mehr Impfstoff beschafft werden könne. Es müsse ebenso geklärt werden, "wie wir es auch schaffen, Impfstoff, der da ist, überhaupt zu verimpfen". Er betonte, jeder, der geimpft werde, schaffe ein Stück weit mehr Freiheit.
"Aber sollte es weiter so sein, dass Tausende, vielleicht sogar Hunderttausende von Impfdosen nicht verimpft werden, dann muss man die Priorisierung völlig neu überlegen, gerade für diesen Impfstoff AstraZeneca."
Gegenüber dem RNDverteidigte Söder seine Aussagen. Von AstraZeneca gäbe es einen Impfstoff, "der gut schützt". Es gehe ihm darum, am Ende nicht "auf einem Berg von AstraZeneca-Impfdosen" sitzenzubleiben. Sinnvoll sei deswegen "AstraZeneca gleich über die Ärzteschaft zu verimpfen. Denn wir sollten so rasch wie möglich alles verimpfen, was geht".
Zum Abschluss des Interviews widerlegte Söder – ohne direkt auf den Titel der Bild-Zeitung einzugehen – das Argument einer "Meuterei gegen Merkel". Er betonte, die Bundeskanzlerin stehe "einsam an erster Stelle", "wem die Menschen das meiste Vertrauen zumessen". Ihre Werte seien nicht einfach übertragbar:
"Es ist nach wie vor nicht ausgemacht, ob wir für die Corona-Politik Dank oder Quittung bekommen. Durch die enttäuschten Hoffnungen ist die Stimmung schwieriger als vorher. Man wird die Stimmen für die Bundeskanzlerin nicht bekommen, wenn man sich von ihr inhaltlich distanziert."
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