Vier-Stufen-Plan des RKI für Lockerungen – Merkel warnt: "Wir sind jetzt in der dritten Welle"

Ein "Intensitäts-Stufenkonzept" soll laut RKI Lockerungen ermöglichen. Bestimmte Einschränkungen sollen aber selbst auf der "Basisstufe" bei einer Inzidenz unter 10 bestehen bleiben. Dagegen mehren sich Stimmen, dass eine "dritte Welle" bereits laufe – nun auch von Kanzlerin Merkel.

In die Debatte um mögliche Lockerungen hat sich nun auch das Robert Koch-Institut (RKI) eingeschaltet und ebenfalls einen Vier-Stufen-Plan präsentiert. Das vorgelegte zwölfseitige Papier trägt den Titel "ControlCOVID" und soll "als Hilfestellung verstanden werden, die die Entwicklung von Stufenplänen für den Einsatz bevölkerungsbezogener antiepidemischer Maßnahmen möglichst evidenzbasiert unterstützt". Das übergeordnete Ziel sei, "die Zahl der schweren Erkrankungen, Langzeitfolgen und Todesfälle durch COVID-19 zu minimieren und eine Überlastung des Gesundheitssystems nachhaltig zu vermeiden".

Das RKI spricht sich grundsätzlich für Kontakt-Einschränkungen und weitere Corona-Maßnahmen aus, bis der für eine flächendeckende Immunität erforderliche Impfschutz in der Bevölkerung erreicht sein werde. Eine "diffuse Zirkulation" des Virus in der Bevölkerung solle unterbrochen werden. Vorgabe dabei soll aber "eine Minimierung ungewollter Folgen für die Gesellschaft" sein:

"Alle eingesetzten Maßnahmen müssen kontinuierlich darauf überprüft werden, dass sie verhältnismäßig sind und nur weiter durchgeführt werden, wenn sie notwendig sind und die negativen Folgen nicht überwiegen."

Das "ControlCOVID"-Modell des RKI sieht vier Stufen von Lockerungen vor. Diese sind an Voraussetzungen geknüpft. Primär ist dabei die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner. Diese ist laut RKI aber "nicht ausreichend, um die Komplexität des Infektionsgeschehens sowie die tatsächliche Belastung des Gesundheitssystems und die Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung durch COVID-19 abzubilden". Das Institut plädiert daher für die Berücksichtigung von drei weiteren Faktoren, um die epidemische Lage lokal einschätzen zu können:

Das "Intensitäts-Stufenkonzept"

Aus der Zusammenstellung der Faktoren ergibt sich ein "Intensitäts-Stufenkonzept", das sich auf einer Skala zwischen Eskalation und Deeskalation bewegt. Das RKI schreibt: "Grundsätzlich sollte bei der Deeskalation vorsichtig und langsam vorgegangen werden, eine Eskalation hingegen sollte schnell sinnvolle und effektive Maßnahmen auslösen". Die höchste Eskalation ist auf der "Intensitätsstufe 3", die niedrigste auf der nullten "Basisstufe".

Intensitätsstufe 3

Auf dieser höchsten Stufe des Konzepts liegt der Inzidenzwert bei über 50, die Intensivbetten sind zu mindestens zwölf Prozent ausgelastet, die wöchentliche Inzidenz hospitalisierter Fälle bei über 60-Jährigen liegt bei über 6 und die Kontaktpersonenverfolgung liegt unter 60 Prozent. Das gelte als ein "hohes Infektionsgeschehen". Das RKI empfiehlt bei diesem Szenario unter anderem Treffen in Innenräumen nur mit der Familie, Schließung von Lokalen und Geschäften (außer diejenigen des täglichen Bedarfs) sowie Distanzunterricht oder Schulschließungen.

Intensitätsstufe 2

Auf Intensitätsstufe 2 liegt der Inzidenzwert zwischen 50 und 35, die Intensivbettenauslastung bei zwölf bis fünf Prozent, die wöchentliche Inzidenz hospitalisierter Fälle bei über 60-Jährigen liegt zwischen 6 und 4, die Kontaktpersonenverfolgung liegt zwischen 60 und 80 Prozent. Es wird dann von einem "mittleren Infektionsgeschehen gesprochen". Auf dieser Stufe schlägt das RKI vorsichtige Öffnungen mit Schutzkonzepten und Auflagen im Kultursektor und im Einzelhandel vor, die Gastronomie solle aber weiterhin geschlossen bleiben. Im Innenbereich sollten sich weniger als zehn Menschen treffen dürfen, im Freien bis zu 100 Personen.

Intensitätsstufe 1

Auf Intensitätsstufe 1 liegt der Inzidenzwert zwischen 35 und 10, die Intensivbettenauslastung bei fünf bis drei Prozent, die wöchentliche Inzidenz hospitalisierter Fälle bei über 60-Jährigen liegt zwischen 4 und 3, die Kontaktpersonenverfolgung liegt unter zwischen 80 und 90 Prozent. Unter diesen Umständen gelte das als ein "niedriges Infektionsgeschehen", es gebe lediglich "gut kontrollierbare Einzelfälle". Auf dieser Stufe empfiehlt das RKI eine Öffnung aller Lokale und Geschäfte – allerdings mit Schutzkonzepten. In Innenräumen sollen sich bis zu 50 Personen treffen dürfen, im Außenbereich zu 500 Menschen.

Basisstufe

Auf der Basisstufe liegt der Inzidenzwert unter 10, die Intensivbettenauslastung bei unter drei Prozent, die wöchentliche Inzidenz hospitalisierter Fälle bei über 60-Jährigen liegt unterhalb von 3, die Kontaktpersonenverfolgung erreicht mehr als 90 Prozent. Die Basisstufe unterscheidet sich in den empfohlenen Maßnahmen nur wenig von der Intensitätsstufe 1. Einzig die Personenanzahl, die sich treffen darf ist erhöht: Innen soll das bis zu 100 Personen gestattet sein, im Freien maximal 1.000 Personen.

Aufschlussreich ist, dass auf der bestmöglichen "Basisstufe" noch immer zahlreiche staatliche Corona-Maßnahmen bestehen bleiben sollen – zum Beispiel die Einschränkung der Personenzahl bei Treffen oder die Einhaltung von Schutzkonzepten ("Abstand, Hygiene, Alltagsmasken, Lüften"). Eine vollständige Aufhebung der Maßnahmen ist in diesem Papier gar nicht mehr vorgesehen. Als Ziel formuliert das RKI:

"Für eine Kontrolle durch die Kontaktpersonen-Nachverfolgung, das Ausbruchsmanagement und eine Entlastung der Intensivstationen, sollte eine Inzidenz unter 10 pro 100.000 Einwohner pro sieben Tage und ein Anteil intensivpflichtiger COVID-19-Patienten an betreibbarer Intensivbetten-Kapazität von weniger als 3 Prozent angestrebt werden."

Die "dritte Welle" und mögliche Lockerungen

Ob und wie stark es in den nächsten Wochen zu Lockerungen kommen wird, ist derzeit politisch umstritten in Deutschland. Am Montag waren Informationen einer internen CDU-Präsidiumsberatung durchgesickert, wonach Bundeskanzlerin Angela Merkel sich für Lockerungen gemäß einem Stufenplan ausgesprochen hätte. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) solle eine entsprechende Arbeitsgruppe anführen, die bis zur nächsten Bund-Länder-Beratung am 3. März ein Konzept erarbeitet.

Am Dienstag zitierte die Bild-Zeitung Braun, der derzeit aber "keine Öffnungen" für möglich halte. Zudem meldete sich der der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach in einem Interview mit der Passauer Neuen Presse zu Wort und sprach sich vehement gegen Lockerungen aus. Schließlich habe die dritte Infektionswelle bereits angefangen und lasse sich "nicht mehr aufhalten". "Aus dem Lockdown heraus" beginne jetzt "die nächste Welle".

Am Dienstag meldete sich dann auch Bundeskanzlerin Merkel zu Wort. In einer Online-Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mahnte sie – nach Informationen der Welt – zur Vorsicht bei möglichen Öffnungsschritten. Merkel machte deutlich:

"Wir dürfen jetzt keine Wellenbewegungen bekommen. […] Wir sind jetzt in der dritten Welle."

Sie fügte hinzu, dass niemanden ein Gefallen damit getan sei, "wenn wir wieder schließen, was wir einmal aufgemacht haben". Man müsse also mit Öffnungen warten, bis man die Perspektive habe, dass Einrichtungen nach einer Öffnung auch offenbleiben könnten. Einen positiven Ausblick würden aber Schnelltests und Selbsttests ermöglichen. In Kombination mit diesen ließen sich dann vorsichtige Öffnungsschritte unternehmen.

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