Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich im Interview mit dem Fernsehsender Phoenix im Verhältnis zu Russland gegen eine Verknüpfung der Gaspipeline Nord Stream 2 mit der Verurteilung des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny ausgesprochen.
"Ich denke, es ist falsch, beides miteinander zu verquicken. Wenn man glaubte, man würde dadurch Druck auf Russland ausüben, um irgendeine andere Situation zu schaffen, dann irrt man", sagte Schröder. Er verstehe diejenigen nicht, die meinen, "wenn man jetzt Nord Stream 2 streicht oder stoppt, dann würde sich bezogen auf den Fall, den Sie erwähnt haben, irgendetwas ändern".
Deutschlands Interesse müsse es sein, Russland als Partner zu erhalten. Immer wenn das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland schlecht gewesen sei, "ging es schief, auch was Frieden in der Welt anging. Immer dann, wenn es erträglich war, war es besser". Wenn die EU eine Rolle spielen wolle zwischen den USA auf der einen und China auf der anderen Seite, gehe es darum, Partner zu haben:
"Einer der Wichtigen bleibt Russland, egal was innenpolitisch passiert, und zum anderen die Türkei, auch egal was innenpolitisch passiert, was mir auch nicht immer gefällt."
Das Gespräch sollte eigentlich eine Buchbesprechung sein. Wie aber Schröder selbst gegenüber der Journalistin bemerkte, sei diese mehrmals von den Themen des Buches abgekommen, um ihm Stellungnahmen zur aktuellen Tagespolitik zu entlocken. Insbesondere galt dies bezüglich des Falles Nawalny.
"Ich äußere mich nicht zu Urteilen, die ich nicht kenne", sagte Schröder, als die Journalistin ihn um einen Kommentar zu dem "nicht nachvollziehbaren" Urteil fragte, wonach Alexei Nawalny am 2. Februar für systematische Verstöße gegen seine Bewährungsauflagen zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. "Ich gehöre nicht zu denjenigen, die nachbeten, was die anderen für richtig halten", sagte er auf die Frage, ob er sich der Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach sofortiger Freilassung Alexei Nawalnys anschließen würde.
Ende Januar wurde das gemeinsame Buch von Gerhard Schröder und dem Historiker Gregor Schöllgen mit dem Titel "Letze Chance. Warum wir jetzt eine Weltordnung brauchen" veröffentlicht. In dem Buch geht es um die "Fehler der Vergangenheit" des Westens und Visionen für die Zukunft eines starken Europas. Laut dem Verlag DVA verbindet das Buch "den analytischen Blick des Historikers mit dem gestaltenden Zugriff des Politikers".
Auf die Frage, ob er Amerika-Skeptiker sei, weil im Buch dies durchschimmere, antwortete Gerhard Schröder:
"Ich habe keine antiamerikanischen Gefühle, aber ich will nicht, dass wir in der Energiepolitik und dass wir in anderen Fragen gleichsam der 51. Staat der Vereinigten Staaten von Amerika sind oder so behandelt werden."
"Wir sind niemandes Anhänger, wir sind ein souveräner Staat und wollen so auch bleiben."
Hiermit erinnerte Schröder an die Zeit seiner Kanzlerschaft, in der die Bundesregierung den USA die Teilnahme an der Aggression gegen den Irak verweigerte.
Im Phoenix-Interview darauf angesprochen, dass er als Aufsichtsratschef bei der Nord Stream AG nicht ehrenamtlich tätig sei und bei der Verteidigung der deutsch-russischen Energieprojekte auch seine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolge, sagte Schröder, dass er auch im Interesse Deutschlands arbeite. "Wir brauchen Gas für die nächsten zehn, zwanzig Jahren als Brücken-Technologie", erklärte er.
"Es ist überall veröffentlicht, was ich mache, daran ist nichts abzustreiten. Natürlich bin ich jemand, der wirtschaftlich tätig ist und werde für die Tätigkeit zum Beispiel als Rechtsanwalt auch bezahlt."
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