Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich offen gezeigt für einen sogenannten Impfgipfel, wie er etwa von SPD-Politikern gefordert wird. Im Radiosender NDR Info schlug er am Donnerstagmorgen ein gesondertes Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder vor, an dem auch Vertreter der Pharmahersteller teilnehmen sollten. Inhaltlich muss es nach seinen Worten darum gehen, wie das weitere Vorgehen gegen die Pandemie aussehen kann.
Im Tagesverlauf konkretisierten sich die Planungen für ein rasches Spitzentreffen zur Corona-Impfmisere. "Die Bundesregierung ist für einen solchen Impfgipfel. Die Planungen dafür laufen und werden noch heute mit den Ländern abgestimmt", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag in Berlin mit.
Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) drängte auf eine schnellere Impfung gegen das Coronavirus und forderte einen Impfgipfel. "Ziel dieser Runde muss es sein, eine gemeinsame nationale Anstrengung auf den Weg zu bringen, die Produktion und Verteilung von Impfstoff in Deutschland zu beschleunigen", sagte der Finanzminister der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Dabei sollten die Pharmafirmen mitsprechen. Parallel müssten überall Kapazitäten geschaffen werden, damit in kurzer Zeit so viele Bürger wie möglich geimpft werden könnten. Die Impfung sei "der Ausweg aus der Pandemie", deshalb müsse sie "nun endlich oberste Priorität haben", forderte Scholz.
Auch andere SPD- sowie FDP-Politiker hatten angesichts des Impfstoffmangels und der schleppend anlaufenden Impfkampagne wiederholt ein solches Treffen gefordert, darunter die Regierungschefs von Rheinland-Pfalz und Brandenburg, Malu Dreyer und Dietmar Woidke (beide SPD). SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der dpa: "Wir brauchen einen klaren Plan, wie wir das Impfen in Deutschland schneller hinbekommen." Dafür sei es wichtig, dass "alle Ebenen jetzt zusammenkommen".
Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) hatte sich vor Wochen eher ablehnend zu einem Gipfel geäußert. Verbandschef Hans-Georg Feldmeier hatte gegenüber der dpa erklärt:
"Die akuten Fragestellungen sind nicht politischer, sondern regulatorischer und technologischer Natur. Diese Fragen können nicht auf einem Gipfel mit der Politik beantwortet werden."
Am Donnerstag aber schwenkte er um: "Wir stehen zu unserer Verantwortung. Der BPI steht bereits seit Dezember vergangenen Jahres mit dem Bundesgesundheitsministerium im Austausch und unterstützt die Bundesregierung in Sachen Impfstoffbeschaffung nach besten Kräften." So hatte der Verband seine Mitgliedsunternehmen nach weiteren Produktionskapazitäten befragt. Auch am geplanten Impfgipfel will der Verband sich beteiligen. "Wenn die Bundesregierung einen weiteren Impfgipfel anstrebt, stehen wir als pharmazeutische Industrie selbstverständlich für weitere Unterstützung zur Verfügung", hieß es in der Stellungnahme.
Im Streit der EU-Kommission mit dem Pharmakonzern AstraZeneca um seine Impfstofflieferungen setzt Spahn auf eine Verhandlungslösung. Eine lange juristische Auseinandersetzung über die Offenlegung von Lieferverträgen helfe in der jetzigen Lage nicht weiter. "Das ist das Letzte, was wir brauchen", sagte Spahn gegenüber NDR Info. Stattdessen müsse es um eine faire Verteilung des Impfstoffs gehen. Er setze auf ein einvernehmliches Ergebnis. "Das ist sicher der bessere Weg."
In dem Streit hatte auch ein weiteres Krisengespräch am Mittwochabend keinen Durchbruch gebracht. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides lobte zwar den konstruktiven Ton. Aber in der Sache hat sich vorerst nichts geändert: Große Mengen Impfstoff, die in Deutschland und anderen Ländern dringend erwartet werden, werden wohl Wochen oder Monate später kommen. Laut EU-Kommission wird vorerst nur ein Viertel der erwarteten Menge ankommen. Die EU hat einen Rahmenvertrag über 400 Millionen Impfdosen mit AstraZeneca. Das Präparat wird voraussichtlich am Freitag in der EU zugelassen.
Unterdessen berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter Berufung auf eine Stellungnahme der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut, dass diese den Impfstoff von AstraZeneca nicht für alle Altersklassen empfehle. Die FAZ zitiert aus der Stellungnahme:
"Der COVID-19 Vaccine AstraZeneca wird aufgrund der derzeit verfügbaren Daten nur für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren empfohlen."
Grund sei, dass für die Beurteilung der Wirkung des Impfstoffs für ältere Menschen nicht genügend Daten vorlägen. Abgesehen davon sei aber der Impfstoff ebenso geeignet wie andere.
Nachtrag: Am Donnerstagabend gab ein Pressesprecher der Bundesregierung bekannt, dass sich die Bundeskanzlerin und die Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz darauf verständigt haben, am 1. Februar um 14 Uhr zu einem Impfgespräch zusammen zu kommen. An diesem Gespräch in Form einer Videokonferenz werden neben weiteren Mitgliedern der Bundesregierung und den Regierungschefs und -chefinnen der Länder auch Vertreter der Impfstoffhersteller sowie der betreffenden Verbände teilnehmen.
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(dpa/rt)