Am 22. Januar tritt das Atomwaffenverbot der Vereinten Nationen in Kraft. Die Bundesregierung lehnt weiterhin einen Beitritt zu dem Vertrag ab. Das geht aus der Beantwortung einer Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke hervor. Darin machte das Auswärtige Amt deutlich, dass es den UN-Vertrag zum Atomwaffenverbot nicht als geeignetes Mittel ansehe, sondern stattdessen auf den Atomwaffensperrvertrag von 1970 setzt.
Staatssekretärin Antje Leendertse argumentiert in einem Scheiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, das UN-Atomwaffenverbot könne
"aus Sicht der Bundesregierung zu einer Fragmentierung und realen Schwächung internationaler Abrüstungsbemühungen im nuklearen Bereich führen."
Leendertse macht darin deutlich, dass die Bundesregierung das neue Vertragswerk für kontraproduktiv halte. Denn die darin festgeschriebene Ächtung von Atomwaffen habe "die Abrüstungsbereitschaft der Nuklearwaffenstaaten nicht erhöht, sondern tendenziell zur Verhärtung des Abrüstungsdialogs beigetragen". Die Bundesregierung setze nicht auf eine "Polarisierung", sondern "auf praktische und realisierbare Abrüstungsschritte".
Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages kommen in einem Gutachten im Auftrag der Linken-Abgeordneten Sevim Dağdelen allerdings zu einem ganz anderen Ergebnis. Die beiden Verträge stünden "juristisch nicht in Widerspruch" zueinander, heißt es darin. Die rechtliche "Fortschreibung" bestehe vor allem darin, dass der Atomwaffenverbotsvertrag "konkrete Abrüstungsverpflichtungen enthält und die Strategie der nuklearen Abschreckung delegitimiert".
Dağdelen kritisiert die Bundesregierung und ihre Weigerung, den Vertrag zum Atomwaffenverbot zu ratifizieren:
"Neben den politischen sind nun auch die juristischen Ausflüchte der Bundesregierung zum Boykott des Atomwaffenverbotsvertrages wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Einem Beitritt zu diesem historischen Abrüstungsvertrag steht nichts entgegen, im Gegenteil."
Der Vertrag über ein Verbot von Atomwaffen wurde im Juli 2017 auf Initiative der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) von der UN-Vollversammlung diskutiert und verabschiedet. Damals stimmten 122 der 193 Mitgliedsstaaten für den Vertrag – nicht aber die Atommächte USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, China, Indien, Pakistan und die vermutete Atommacht Israel sowie fast alle NATO-Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland. Der Vertrag wurde bis zum 25. Oktober 2020 von Vertretern von 50 UNO-Mitgliedsstaaten ratifiziert und hat damit seine internationale Gültigkeit erlangt.
Bis heute wurde der Vertrag von folgenden Staaten ratifiziert: Antigua und Barbuda, Bangladesch, Belize, Benin, Bolivien, Botswana, Costa Rica, Dominica, Ecuador, El Salvador, Fidschi, Gambia, Guyana, Honduras, Irland, Jamaika, Kasachstan, Kiribati, Kuba, Laos, Lesotho, Malaysia, Malediven, Malta, Mexiko, Namibia, Nauru, Neuseeland, Nicaragua, Nigeria, Österreich, Palau, Palästina, Panama, Paraguay, Samoa, San Marino, St. Kitts und Nevis, St. Lucia. St. Vincent und die Grenadinen, Südafrika, Thailand, Trinidad und Tobago, Tuvalu, Uruguay, Vanuatu, Vatikanstadt, Venezuela sowie Vietnam.
Vertreter der Vereinten Nationen äußern ihr Unverständnis für jegliche Ablehnung des Vertrages. Stéphane Dujarric, der Sprecher des UN-Generalsekretärs erkärte – auch in Richtung der NATO-Staaten:
"Staaten, die nicht beabsichtigen, dem Vertrag beizutreten, sollten die berechtigten Befürchtungen und alle nach Treu und Glauben unternommenen Anstrengungen zur Erreichung der nuklearen Abrüstung respektieren."
Alle Länder müssten wieder einen Weg mit einer gemeinsamen Vision zur nuklearen Abrüstung einschlagen. Auch Deutschland könne etwa über einen Beobachterstatus beim Atomwaffenverbotsvertrag eine wichtige Rolle spielen: Dieser würde es skeptischen Ländern ermöglichen, "ihre Vorbehalte zu äußern und einen Dialog mit den Vertragsstaaten des Atomwaffenverbotsvertrages aufzunehmen", sagt Dujarric.
Für die Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) ist die Haltung der Bundesregierung nicht hinnehmbar. Die Organisation ruft für den 22. Januar 2021 zu Protestaktionen in verschiedenen Städten Deutschlands auf.
Reinhold Thiel von der Ulmer Ärzteinitiative, die Teil der Organisation IPPNW ist, sieht ein klares Interesse von deutschen Politikern, Atomwaffen nicht zu verbieten:
"In Deutschland werden leider auch danach im Rahmen der 'nuklearen Teilhabe' US-Atombomben gelagert. Es ist geplant, dass mit deutschen Steuergeldern neue Träger-Flugzeuge angeschafft werden, mit denen Bundeswehrpiloten neue und noch gefährlichere Generationen von Atombomben zum Einsatzziel transportieren können. Dieser Unsinn muss ein Ende haben!"
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(rt/dpa)