Umstrittenes Anlegergesetz soll Staat mehr Eingriffe ermöglichen

Der durch die Corona-Krise hochverschuldete Staat braucht dringend Geld: Jetzt will er mit einem Gesetzesentwurf ans Eingemachte, an Investments des wenig überwachten sogenannten Grauen Markts. Das sind etwa die vom Staat bisher nicht genau erfassten Anlagen wie Container- oder Schiffsanteile, Schuldverschreibungen, aber auch Direktinvestments in Gold. Kritik hagelt es von Verbänden. Investoren protestieren.

Was zum einen den Bürgern besser schützen hilft, verschafft zum anderen dem Staat mehr Eingriffsmöglichkeiten. Die Bundesregierung hat nun einen Entwurf zum "Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes" an verschiedene Wirtschaftsverbände durchgestochen. Mit heftiger Kritik. Investoren fürchten horrende Verluste.

Ziel der Regierung sollte es sein, auf dem Grauen Kapitalmarkt höhere Standards einzuführen. Das Schlüsselwort heißt: mehr Transparenz. Nach Definition ist der Graue Markt der Warenverkehr, der zwar legal zustande kommt, aber Vertriebswege nutzt, die nicht autorisiert sind. Darunter zählen sogenannte Arbitragegeschäfte, bei denen in verschiedenen Ländern von Unternehmen Preisunterschiede ausgenutzt werden. 

Anlass für die Regierung war die milliardenschwere Pleite des Schiffscontainer-Vermieters P&R, eines großen Anbieters von Vermögensanlagen. Hier will sie angeblich beim Anlegerschutz nachbessern, ohne dass der Name des Unternehmens fiel.

Die P&R-Gruppe hatte 1,6 Millionen Container für rund 3,5 Milliarden Euro an mehr als 54.000 Kunden verkauft. 2018 wurde das Unternehmen insolvent. Die Anleger laufen jetzt ihrem Geld hinterher. 

Noch in einem Entwurf des Bundesfinanzministeriums vom Juni 2020 wurden Optionsscheine nicht als Termingeschäfte klassifiziert und damit eine klare, angemessene Abgrenzung erreicht. Damit wird vermieden, dass Anleger in der Depotgestaltung beeinträchtigt werden. Zudem müssen sie nicht aufwendige individuell Veranlagen, sogar doppelt besteuern. Jetzt drohten nach Einschätzung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitzer (DSW, 30 000 Mitglieder) "schwere steuerliche Nachteile, nachträgliche Steuerzahlungen und Unsicherheiten für hunderttausende von Anlegern."

Für Termingeschäfte sieht das Jahressteuergesetz seit Jahresbeginn eine begrenzte Verlustverrechnungsmöglichkeit mit anderen Termingeschäften vor. "Die asymmetrische Besteuerung  darf keinesfalls ausgeweitet werden", so Dr. Henning Bergmann, Vorstandsmitglied des Deutschen Derivate Verbands (DDV). Er vertritt 15 Emittenten strukturierter Wertpapiere und sieben Direktbanken in Deutschland.

Viele aktive Anleger nutzen Optionsscheine, um ihre Depots abzusichern – gerade in einem herausfordernden Marktumfeld wie derzeit. Marc Tüngler, DSW-Hauptgeschäftsführer legt nach:

"Vom Grundsatz her halten wir die Regelung insgesamt für verfassungswidrig."

Viele unseriöse Anbieter locken mit hohen Zinsen oder zweistelligen Renditen.Meist wird den Anlegern vorgegaukelt, dass es sich bei der Investition um positiv besetzte oder ethisch korrekte Objekte wie etwa den Brunnenbau in Afrika handelt.So hatten etwa beim Windpark-Finanzierer Prokon knapp 75.000 Anleger rund 1,4 Milliarden Euro in Genussrechte investiert.

Verbraucherschützer sahen nach der Pleitedrohung die Bundesregierung in der Pflicht. Denn sie hatte mit ihrer Energiewende solchen Firmen direkt in die Hände gespielt. Prokon hat ihren Anlegern mit der Insolvenz gedroht, wenn sie ihr Kapital zurückforderten. Die sind jetzt ratlos, vom Staat verlassen.

Der eigentliche Skandal sei, dass die Politik den Grauen Markt noch immer nicht gebändigt hat, sagte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz dem Handelsblatt

RT DE sprach mit Oliver Struck von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Er erklärt: "Bei Einlagengeschäften etwa, bei denen man Anrechte auf Gold kaufen kann und sie zu einem garantierten Preis am Tag x zurückkaufen kann, soll die Kontrolle wohl ausgeweitet werden."

Struck rät bei allen Formen des noch unkontrollierten Grauen Markts:

"Anbieter müssen stets Prospekte für Wertpapiere, Genussrechte und andere Unternehmensanteile erstellen – allerdings nicht für alle Anlagen. Prospekte sind sehr umfangreich. Sorgfältig die Anlagebedingungen und Finanzzahlen sowie die Informationen zu Risiken, zur Anlagestrategie und Mittelverwendung lesen!"

Struck warnt: "Im Verlustfall können wir nur dann tätig werden, wenn wir das betroffene Unternehmen tatsächlich beaufsichtigt haben oder wenn es sich um ein illegales Angebot des Schwarzen Kapitalmarkts handelt. Das ist bei den Anbietern des Grauen Markts aber meist gerade nicht der Fall." 

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