Als Reaktion auf Supermarkt-Schließungen auf dem Land gibt es immer mehr von den Einwohnern selbst gegründete Dorfläden. Bundesweit sei deren Zahl seit 2015 von rund 200 auf etwa 300 gestiegen, so Günter Lühning, erster Vorsitzender der Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden. Diese Organisation strebt nach Förderung von Initiativen zur Verbesserung der Nahversorgung und nach Unterstützung ihrer Mitglieder, den bürgerschaftlich organisierten Dorfläden.
Die Dorfläden haben oft ein kleines Café und sind sozialer Treffpunkt, wenn aus dem Ort schon der Bäcker und das Gasthaus verschwunden sind. In der Pandemie können sich vielerorts Senioren und Risikogruppen vom örtlichen Dorfladen beliefern lassen. Frauke Lehrke, Leiterin des Dorfladens Bolzum bei Hannover, erklärte:
"Bei uns wird das allerdings kaum angenommen. In der Pandemie ist die Stimmung bei vielen Kunden bedrückt, weil Frühstücks-Stammtische und Veranstaltungen ausfallen."
Gerade ältere Menschen ließen sich deshalb den persönlichen Schnack an der Käsetheke oder der Kasse nicht entgehen. Während des Lockdowns im Frühjahr und seit November seien die Umsätze der Dorfläden bei den Lebensmitteln um 10 bis 30 Prozent gestiegen, berichtet Günter Lühning vom Austausch im Netzwerk der Betreiber. Die Kunden zeigten in der Pandemie ihre Wertschätzung. "Gut, dass wir euch vor Ort haben", sei oft zu hören.
Lühning gehört zu den Gründern des vor 20 Jahren eröffneten Dorfladens in Otersen. Der Laden im Landkreis Verden zählte zu den ersten in Deutschland. Lühning betonte:
"Es ist keine Modeerscheinung, sondern ein nachhaltiger Trend geworden, auch wenn es immer schwerer wird, eine schwarze Null zu schreiben."
Laut Lühning setzen die Betreiber auf Zukunftsthemen wie regionale Produkte und Nachhaltigkeit. Der Dorfladen Otersen hat einen kleinen Elektrobus, vergrößert im Frühjahr seine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und plant drei Ladesäulen für E-Autos. Für die Investition gebe es schon Darlehens-Zusagen in sechsstelliger Höhe von den Mitgliedern, berichtet der 59-Jährige.
In vielen Fällen verkaufen die Initiatoren von Dorfläden Anteilsscheine, die Kunden können also Teilhaber werden. Auch die Kommunen fördern oft diese Gründungen. Nach Angaben der Bundesvereinigung befindet sich etwa die Hälfte der aktuell rund 300 Dorfläden in Bayern. Jeweils etwa 30 gebe es in Baden-Württemberg und in Niedersachsen, jeweils circa 25 in Nordrhein-Westfalen sowie in Rheinland-Pfalz mit dem Saarland, etwa zehn in Hessen. In Schleswig-Holstein gibt es 40 MarktTreffs, die von der Landesregierung in Kiel gefördert werden – einige davon sind bürgerschaftlich organisiert. Zuletzt gab es laut Lühning auch mehrere Gründungen in Ostdeutschland.
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rt/dpa