Mehrere Landesregierungen wollen zukünftig härter gegen Quarantäne-Verweigerer vorgehen. Neben hohen Bußgeldern – bis zu 25.000 Euro etwa in Niedersachsen und Schleswig-Holstein – kommt es künftig im Extremfall zur Zwangseinweisung. In einigen Bundesländern werden bereits entsprechende Einrichtungen geschaffen. Das berichtete die Welt am Sonntag am 17. Januar auf der Basis eigener Recherchen.
Demnach sind von den Maßnahmen Menschen betroffen, die die amtliche Anordnung missachten, sich wegen einer möglichen oder tatsächlichen Corona-Infektion für bestimmte Zeit zu isolieren. Mit einem richterlichen Beschluss können sie für bestimmte Zeit unter Aufsicht untergebracht werden.
Zur Frage der rechtlichen Situation befragte die Welt am Sonntag Christoph Degenhart, emeritierter Professor für Staats-und Verwaltungsrecht. Er erklärte, dass es nach Paragraf 30 des Infektionsschutzgesetzes möglich sei, "dass Kranke oder Krankheitsverdächtige abgesondert werden können". Dabei handele es sich um "eine Freiheitsentziehung nach Artikel 2, Absatz 2, und Artikel 104 Grundgesetz". Sie bedarf einer richterlichen Entscheidung und muss einer "strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung" unterzogen werden.
Bundesländer mit existierenden oder geplanten "Quarantäne-Gefängnissen"
In mindestens fünf Bundesländern (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Sachsen, Schleswig-Holstein) existieren bereits zentrale Einrichtungen zur Zwangsunterbringung von Quarantäne-Brechern, oder sie werden aktuell geplant.
In Baden-Württemberg kündigte Innenminister Thomas Strobl (CDU) einen harten Kurs gegen Quarantäne-Verweigerer an. Derzeit werden zentrale Quarantäne-Gefängnisse in zwei Krankenhäusern geschaffen – eines im badischen Landesteil, eines im württembergischen. Ein Sprecher des Sozialministeriums machte deutlich, dass es sich dabei um eine Maßnahme des Infektionsschutzes handele und sie keine neue Qualität darstelle.
"Diese Absonderungsplätze werden dauerhaft durch einen Wachdienst kontrolliert. […] Die zwangsweise Unterbringung ist kein neues Instrument, sie konnte auch bisher schon angeordnet werden und wurde in Einzelfällen auch bisher schon angeordnet."
In Sachsen soll bis Ende Januar eine Einrichtung zur "zwangsweisen Unterbringung" fertiggestellt werden. Dafür wird eine ehemalige Flüchtlingsunterkunft in Dresden umgebaut. Nach Angaben des sächsischen Sozialministeriums ist das ein Ort, der gut geeignet ist "für medizinische Versorgung und Verpflegung und für eine Bewachung durch die Polizei".
In Schleswig-Holstein ist eine Unterbringung von Quarantäne-Brechern auf dem Gelände der Jugendarrestanstalt Moltsfelde im Landkreis Rendsburg-Eckernförde geplant. Ab der kommenden Woche sollen dort Personen untergebracht werden, die nach Aussagen des Landkreistages in "ihrem Verhalten zeigen, dass sie sich nicht an eine Quarantäneanordnung halten und daher ggf. eine Infektionsgefahr für andere Personen darstellen". Vor einer Inhaftierung werde es aber eine "Gefährderansprache" an die Beschuldigten in Anwesenheit der Polizei geben.
Sönke Schulz, Vorsitzender des Landkreistags, erklärte zu den Zwangsmaßnahmen:
"Die Bekämpfung der Pandemie lebt von der Akzeptanz in der Bevölkerung."
Diese Akzeptanz leidet, wenn die Nichteinhaltung von Vorgaben ohne Konsequenz bliebe. Daher ist der Freiheitsentzug von "Ansteckungsverdächtigen" ein "wesentliches Element, um das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen".
Die Bundesländer Berlin und Brandenburg planen derzeit, Einrichtungen für Quarantäne-Brecher zu schaffen. Nach Angaben der Berliner Gesundheitsverwaltung könne diese "in einem Krankenhaus" eingerichtet werden. Die brandenburgische Landesregierung erwägt ebenfalls ein Quarantäne-Gefängnis "in einem Krankenhaus oder einer geeigneten Einrichtung" zu errichten.
In Hessen gab es bereits eine solche Einrichtung. Sie wurde nach Angaben des Ministeriums für Soziales und Integration mittlerweile geschlossen:
"Das Land betreibt keine Quarantäne-Einrichtungen, eine im Sommer genutzte Interims-Einrichtung wurde nur sehr vereinzelt in Anspruch genommen."
Das Bundesland setzt derzeit auf eine Überwachung der häuslichen Quarantäne und seinen Bußgeldkatalog.
Zwangseinweisung auf kommunaler Ebene
Für Bayern äußerte Ministerpräsident Markus Söder, dass es "keine zentralen Einrichtungen zur zwangsweisen Absonderung von sogenannten Quarantäne-Verweigerern" gebe und "auch keine entsprechenden Pläne". Allerdings finden in einzelnen Kommunen Zwangseinweisungen statt – in "abgeschlossenen Krankenhäusern oder abgeschlossenen Teilen von Krankenhäusern".
In Rheinland-Pfalz gibt es ebenfalls die Möglichkeit, Quarantäne-Maßnahmen auf kommunaler Ebene durchzusetzen. Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Demografie teilte mit:
"In den Einzelfällen, in denen eine Unterbringung außerhalb der Häuslichkeit angeordnet werden muss, organisieren die zuständigen Kommunen für die benötige Zeit eine geeignete Unterbringung."
Die übrigen Bundesländer dementieren nach Angaben der Welt am Sonntag die Installation zentraler Einrichtungen zur Inhaftierung von Quarantänebrechern. Sie setzen zum Teil auf hohe Bußgelder – wie etwa in Niedersachsen mit bis zu 25.000 Euro für das Verletzen der Quarantäne-Auflagen – oder auf akribische Kontrollen von Ordnungsamt und Polizei.
Das Beispiel Bremen
In Bremen hat es bislang nur einen Fall eines mehrfachen Quarantäne-Brechers gegeben. Nach Angaben von Claudia Bernhard (Die Linke), die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, wurde diese Person in "einer geeigneten Einrichtung inklusive medizinischer Versorgung" zwangsweise einquartiert.
Beim Ordnungsamt in Bremen arbeiten derzeit etwa 30 Personen allein für die Quarantäne-Überwachung. Das Gesundheitsamt übermittelt ihnen eine Liste mit Daten von in Quarantäne befindlichen Personen. Daraufhin statten die Mitarbeiter Kontrollbesuche ab. Täglich werden zwischen 600 und über 1.000 Personen kontrolliert.
Der Bremer Gesundheitssenat betonte die aufklärende Rolle der Ordnungshüter:
"Bislang beschränkten sich die Verstöße auf Uneinsichtigkeiten, weil die Betroffenen die Notwendigkeit der Einhaltung der Quarantäne-Anordnung nicht erkannten. Die Einsatzkräfte konnten die kritische und ablehnende Haltung in Gesprächen ausräumen."
Bei konkreten Verstößen – etwa trotz Quarantäne-Verpflichtung einkaufen oder zur Arbeit gehen – wird "die Bußgeldhöhe im Einzelfall" festgesetzt. In Bremen drohen Bußgelder zwischen 400 und 4.000 Euro.
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