"Alle Modelle sind sich einig": RKI fordert schärferen Lockdown und macht Bürger verantwortlich

Nach einer Analyse des Robert Koch-Instituts (RKI) sei das Verhalten vieler Bundesbürger im zweiten Corona-Lockdown zu inkonsequent, um die Pandemie zeitnah in den Griff zu bekommen. Die bisherigen Maßnahmen gehen dem Bundesinstitut nicht weit genug.

"Diese Maßnahmen, die wir jetzt machen – für mich ist das kein vollständiger Lockdown", sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag. "Es gibt immer noch zu viele Ausnahmen, und es wird nicht stringent durchgeführt." Mit Blick auf neue, ansteckendere Mutationen des Coronavirus ergänzte er: "Es besteht die Möglichkeit, dass sich die Lage noch verschlimmert."

Mehr als 25.000 neue Fälle positiv Getesteter meldete das Institut am Donnerstag. Zugleich starben 1.244 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus – die höchste Zahl von Toten innerhalb von 24 Stunden in Deutschland seit Beginn der COVID-19-Pandemie.

Das RKI hält deshalb auf der Basis von statistischen Modellen der Ausbreitung einen strengeren Lockdown für sinnvoll. Regeln, die zu weniger Kontakten führen, müssten noch verschärft werden, sagte der Epidemiologe Dirk Brockmann. "Alle Modelle sind sich einig, dass das massiver und effektiver passieren muss." Deutschland müsse in eine Phase kommen, in der die Inzidenz substanziell und schnell sinke, so wie im Frühjahr 2020.

Die Zahl der Sonntagsausflüge im Dezember hätten nach der RKI-Mobilitätsanalyse zum Beispiel kaum abgenommen – ganz anders als beim ersten Lockdown im Frühjahr. Weihnachten gab es weniger weit entfernte Reisen, doch insgesamt ging die Mobilität nach Brockmanns Analyse im Vergleich zum Vorjahr nur um 10 bis 15 Prozent zurück. Das reiche nicht.

"In allen Bereichen gibt es Luft nach oben", bilanzierte Wieler. Er zeichnete ein Bild für das derzeitige Verhalten im Land: "Das ist, als ob Sie im Regen stehen, den Schirm nicht aufspannen und dann hinterher sagen, der Schirm funktioniert nicht."

Der RKI-Chef ermahnte erneut die Bevölkerung: Es gelte, möglichst wenige Menschen zu treffen, und wenn, dann am besten draußen. Abstand halten, Masken tragen, Händewaschen. Zu Hause bleiben und zu Hause arbeiten, wo und wann immer das möglich ist.

Pflege- und Altersheime immer noch nicht ausreichend geschützt

Die Aussagen des RKI sind jedoch widersprüchlich, denn offenbar ist die hohe Zahl an Toten vor allem einem mangelnden Schutz von Pflege- und Altenheimen anzulasten und nicht einer allgemeinen Nicht-Beherzigung der Corona-Regeln. Dessen ist sich auch Wieler offenbar bewusst:

"Der Aspekt mit den Toten bedrückt mich enorm. Sehr viele finden wir in Pflege- und Altenheimen."

Die Einrichtungen müssten besser geschützt werden, so der RKI-Chef. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, findet jedoch deutlichere Worte. "Die vielen Infektionen und hohen Todesraten unter den 900.000 Pflegeheimbewohnern sind vor allem auf mangelnde Hygiene zurückzuführen", kritisierte er.

Es gebe kaum noch externe Kontrollen durch die Gesundheitsämter und weiterhin keine verpflichtenden Tests vor jedem Dienstbeginn und Besuch. "Das ist die toxische Mischung." Bisher würden Bund, Länder, Gemeinden und auch die Einrichtungen vor Ort bei dieser lebensentscheidenden Aufgabe versagen.

Dessen ungeachtet will sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann für "weitere und schärfere Maßnahmen" einsetzen, welche die gesamte Bevölkerung betreffen sollen. Das kündigte der Politiker von Bündnis 90/Die Grünen am Donnerstag an. Er wolle bei Kanzlerin Angela Merkel auch darauf drängen, dass die für den 25. Januar geplante Videokonferenz mit den anderen Ministerpräsidenten auf nächste Woche vorgezogen werde.

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(rt/dpa)