Vor wenigen Tagen wurde dem scheidenden US-Präsidenten Donald Trump auf sämtlichen sozialen Internetplattformen der Saft abgedreht. Ein herber Schlag für Trump, der die Plattform Twitter zum politischen Kommunikationskanal erklärt hatte und damit zweifelsohne einen Trend setzte. Seither wurde das Medium auch für politische Entscheidungsträger in London, Paris und Berlin salonfähig.
Zwischen Trump und den sozialen Medien herrschte eine Art Hassliebe, denn wie kein anderer nutzte der US-Präsident die Netzwerke für seine politischen Botschaften und bescherte dadurch nicht nur sich, sondern auch den Unternehmen regelmäßig eine enorme Aufmerksamkeit und Abermillionen Zugriffe. Trump verfügte auf Twitter über mehr als 88 Millionen Follower.
Nun wurde die turbulente Fernbeziehung vor wenigen Tagen einseitig beendet. Hintergrund war der Sturm von wütenden Trump-Anhängern auf das Washingtoner Kapitol. Ein tiefer Stich ins kardiovaskuläre System der US-Politik, das seither um so mehr an Herzrhythmusstörungen leidet.
Trump, so hieß es anschließend, habe nicht nur durch seine letzte Rede, sondern während seiner gesamten Laufbahn als US-Präsident durch Desinformation, das Schüren von Hass und eine bewusste (weitere) Spaltung der US-Gesellschaft zu diesem desaströsen Höhepunkt seiner Präsidentschaft beigetragen. Zudem bestand Trump in dem Video darauf, dass es bei der US-Präsidentschaftswahl nicht mit rechten Dingen zugegangen sei.
Und wie nach vielen schmerzhaften Trennungen üblich wurde anschließend schmutzige Wäsche gewaschen. Mit "wiederholten und schwerwiegenden" Verstößen Trumps gegen die Richtlinien des Unternehmens im Kampf gegen Falschinformationen begründete Twitter am Freitag die Sperrung.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg legte nach einer zunächst 24-stündigen Sperre noch einmal nach und erklärte:
"Wir glauben, dass das Risiko, dass der Präsident unseren Dienst in dieser Zeit weiterhin nutzen kann, einfach zu groß ist. Daher verlängern wir die Blockade, die wir auf seinen Facebook- und Instagram-Konten platziert haben, auf unbestimmte Zeit und für mindestens die nächsten zwei Wochen, bis der friedliche Machtwechsel abgeschlossen ist."
In der sich anschließenden Debatte um Werte wie etwa die der Meinungsfreiheit war es der NSA-Whistleblower Edward Snowden, der als einer der Ersten öffentlichkeitswirksam Salz in die Suppe der allgemeinen Euphorie um die Sperrung Trumps streute.
"Facebook bringt offiziell den Präsidenten der Vereinigten Staaten zum Schweigen. Ob zum Guten oder Schlechten, dies ist ein Wendepunkt im Kampf um Kontrolle über die digitale Redefreiheit."
Snowden ergänzte, dass er verstehen könne, warum die Nachricht von der Ankündigung Zuckerbergs, Trumps Facebook-Konto zu sperren, mit einem "Juhu" aufgenommen worden sei, gab jedoch u. a. zu bedenken:
"Aber stellt euch für einen Moment eine Welt vor, die länger andauert als bloß die nächsten 13 Tage. Das hier wird ein Meilenstein werden, der ebenfalls andauert."
Anschließend musste der ehemalige NSA-Mitarbeiter herbe Kritik einstecken.
In der Zwischenzeit fielen die Twitter-Aktien nach der dauerhaften Sperrung des Trump-Accounts durch das Social-Media-Unternehmen am Montag vorbörslich um mehr als sieben Prozent. Auch in Frankfurt waren es satte acht Prozent.
Ebenfalls am Montag bezog nun auch die Bundesregierung in Gestalt von Regierungssprecher Steffen Seibert Stellung zu den Vorgängen. Die Bundesregierung sehe die Sperrung des Twitter-Kontos von US-Präsident Donald Trump kritisch, hieß es. In Berlin erklärte Seibert:
"Die Betreiber sozialer Netzwerke tragen hohe Verantwortung dafür, dass die politische Kommunikation nicht vergiftet wird durch Hass, durch Lüge, durch Anstiftung zur Gewalt."
Es sei daher richtig, bei solchen Vorfällen nicht tatenlos zuzusehen und Anmerkungen zu machen.
Doch dann gab Seibert im Namen der Bundesregierung zu bedenken, dass das "Grundrecht auf Meinungsfreiheit (...) von elementarer Bedeutung" sei. Entsprechende Eingriffe seien möglich, aber nicht auf Beschluss von Social-Media-Unternehmen, so der ehemalige ZDF-Journalist.
"In dieses Grundrecht kann eingegriffen werden, aber entlang der Gesetze und innerhalb des Rahmens, den der Gesetzgeber definiert – nicht nach dem Beschluss der Unternehmensführung von Social-Media-Plattformen."
Daher sehe Bundeskanzlerin Angela Merkel es als problematisch an, dass die Konten des US-Präsidenten dauerhaft gesperrt worden seien. Dann bezog sich Seibert auf die Situation in Deutschland:
"Es ist richtig, dass der Staat, der Gesetzgeber dazu einen Rahmen setzt."
Grundsätzlich zu hinterfragen gelte es jedoch, was es in den sozialen Medien an verfälschenden und gewaltfördernden Äußerungen gebe.
Bereits vor der Bundesregierung hatten sich Regierungschefs wie etwa der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador kritisch zu den Vorstößen der Social-Media-Unternehmen geäußert. Dieser fand dabei ungleich deutlichere Worte. So hatte López Obrador rhetorisch nach "der Freiheit und dem Recht auf Information" gefragt.
"Diese jüngsten Ereignisse sollten uns alle beunruhigen, und wir sollten sicherstellen, dass wir nicht anfangen, alternative Medien einzuschränken, und sicherstellen, dass die Menschen immer die Möglichkeit haben, sich zu informieren."
López Obrador verglich deren Vorgehen mit einem "Zensurgericht, wie bei einer Heiligen Inquisition, aber für den Umgang mit der öffentlichen Meinung".
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