Problem Nr. 1: Der Impfstoff ist leicht verderblich
Zunächst wurden knapp 21.955 Impfdosen des Corona-Vakzins der Firma BioNTech nach Berlin geliefert. Wie von der Bundesregierung geplant, wurden von den 60 mobilen Impfteams zuerst die sogenannten vulnerablen Personen – vornehmlich Menschen über 80 Jahre alt – in Alten- und Pflegeheimen behandelt. Albrecht Broemme, Koordinator für die Zentren, sagte dazu gegenüber RT DE:
"Das klappte zunächst gut. Die Teams müssen nun in den nächsten 20 Tagen noch einmal ran, um die zweite Dosis zu spritzen. Für diese Leute reicht der Impfstoff."
Doch nun öffneten zwei der sechs Zentren, unter anderem jene in der Arena im Stadtteil Treptow. Allerdings kamen dort in den ersten Tagen zu wenig Patienten. Und von denen, die kamen, wurden sogar die kostenlosen, mit Steuermitteln bezahlten Taxis vom Sicherheitspersonal verscheucht. Viele kamen nicht pünktlich.
So wurden aus manchen Ampullen bis zu sechs Dosen gezogen, weil deren Rest, wenn niemand mehr kam, dann leider auch manchmal unbrauchbar wurde. Ein freiwilliger Mitarbeiter der Firma Berlin Chemie bestätigte: "Wir mussten rund zehn Spritzen sogar wegwerfen." Die Berliner Gesundheitssenatorin bestätigte diese Fälle mit Bedauern und möchte in ähnlichen Fällen das Pflegepersonal damit impfen.
Problem Nr. 2: Die Verteilung
Das passive System
In Berlin werden die zu Impfenden angerufen. Im Idealfall haben diese sich bei ihrem Hausarzt gemeldet, der die Meldung dann weitergab. In manchen Fällen warteten die Alten zuhause. Doch niemand rief an oder die Personen hörten einfach das Telefon nicht.
Im Fall der Berliner Beamtin Marion F. (53) und ihrer an Alzheimer erkrankten Mutter Jutta (81) ist es besonders ärgerlich. Frau F. hat ihre Mutter in einem Spandauer Pflegeheim seit der Vorweihnachtszeit nicht mehr gesehen. Marion F. sagte gegenüber RT DE:
"Erst sagte mir ein Pfleger, man komme nur mit PCR-Test ins Heim. Dann sperrten sie es für Besucher ganz. Ich weiß immer noch nicht, ob meine Mutter geimpft ist, wann sie es wird oder ob und wann ich sie besuchen kann. Alltagschaos."
Das aktive System
In Brandenburg gibt es ein anderes System. Hier müssen sich die Betroffenen selbst über eine Hotline melden. Es wurden 5.004 Menschen geimpft. In den jüngst eröffneten zwei Zentren warteten die Ärzte und Helfer oft stundenlang auf Gäste. So in der Metropolis-Halle in Potsdam Babelsberg.
Rundfunktechniker Dieter Döring (80) aus dem brandenburgischen Fahrland versuchte zwei Tage lang sein Glück, fiel aber immer wieder aus der Leitung der 116117-Hotline. Döring erklärte gegenüber RT DE: "Das ist entnervend. Da wartet man eine Stunde, wenn man überhaupt durchkommt. Dann kippen die einen einfach raus." Darauf fuhr er kurzerhand zum Impfzentrum nach Babelsberg.
Döring weiter: "Dort erklärten mir die Ärzte, dass sie etwa 79 Angemeldete am Tag geimpft hätten, dass ich aber keinen Bescheid von der Behörde habe, den ich doch per Telefon hätte bestellen können. Über die Hotline." Erbost zog der Rentner weiter, diesmal telefonisch bis ins Vorzimmer der Grünen Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher. Döring: "Ihre Staatssekretärin erklärte, sie werde sich darum kümmern." Herr Döring wartet seitdem immer noch auf den rettenden Pikser.
Problem Nr. 3: Es gibt zu wenig Vakzin, aber hohe bürokratische Hürden
Mit großer Hoffnung wird nun auf die Zulassung des neuen Impfstoffs der US-Firma Moderna gewartet. Berlins Impfkoordinator Albrecht Broemme ist sich sicher: "Wir bekommen ihn noch im Januar." Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) befürwortet die Zulassung des Corona-Impfstoffes. Eine Zustimmung der EU-Kommission kann nun schnell erfolgen. Jetzt steht noch die deutsche Zulassung durch das Paul-Ehrlich-Institut aus. Dann könnte der Stoff, der auch bei höheren Temperaturen bis minus 20 Grad haltbar ist, geliefert werden. In den USA wird Moderna schon seit dem 21. Dezember verabreicht. Die EU hat 160 Millionen Dosen bestellt, die noch unterwegs sind.
Problem Nr. 4: Es wurde zu spät bestellt
Von denen schon im Sommer angebotenen 500 Millionen Dosen des BioNTech-Pfizer-Impfstoffs orderten die Europäer nur 200 Millionen. Eine Option auf 100 Millionen weitere bestand. Seit dem 9. November 2020 hatte auch der Bundesgesundheitsminister die Gewissheit, dass BioNTechs Stoff zu über 90 Prozent wirkt. Doch der zweite Produktionsstandort der Firma in Deutschland, in Marburg, eröffnet erst im Februar 2020. Ob und wann die Impfstoffe die hohen Hürden bis hin zum Patienten nehmen, steht noch in den Sternen.
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