Das Bundeskabinett hat am Mittwoch nach jahrelanger Debatte ein Gesetz beschlossen, wonach größere börsennotierte Unternehmen mindestens eine Frau im Vorstand haben sollten. Das Gesetz baut auf einer 2015 eingeführten 30-Prozent-Quote für Aufsichtsräte auf und wird für börsennotierte Unternehmen mit mehr als drei Vorständen gelten.
Die Maßnahme ist seit Langem eine Forderung der Sozialdemokraten (SPD), doch Christdemokraten haben sich lange dagegen gewehrt. Die Kanzlerin hat jedoch ihre Frustration darüber geäußert, dass Unternehmen ohne eine gesetzliche Vorgabe kaum weibliche Führungskräfte einsetzen.
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Aus Sicht der beiden verantwortlichen Ministerinnen ist das Gesetz ein Meilenstein. Seit Jahren habe sich sich auf freiwilliger Basis kaum etwas geändert.
"Es war nicht leicht, in der Koalition eine Einigung hinzubekommen. Wir haben das nach viel Diskussionen, nach viel Bemühen geschafft. Darauf bin ich stolz", sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD) am Mittwoch in Berlin nach dem Kabinettsbeschluss.
Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach von einem guten Tag für all die hochqualifizierten Frauen in Deutschland. "In Zukunft zählt die Qualifikation bei der Besetzung von Vorstandspositionen und nicht das Geschlecht." Die Frauenquote sei auch ein wichtiges Signal für junge Frauen: "Wer sich gut qualifiziert, wer sich entsprechend aufstellt, bekommt auch die Chance, die ihr oder ihm zusteht", sagte Lambrecht.
"Wir schöpfen so die Potenziale unseres Landes besser aus", heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung.
"Die Zeit für freiwillige Maßnahmen ist endgültig vorbei", erklärte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). So werde Schluss damit gemacht, dass die Hälfte der Bevölkerung nicht in den Vorstandsetagen großer deutscher Unternehmen repräsentiert sei, sagte der Vizekanzler.
Auch Unions-Fraktionsvorsitzende Nadine Schön hatte die im November getroffene Einigung der Großen Koalition auf eine verbindliche Frauenquote in Vorständen als Meilenstein bezeichnet.
"Dass in den Vorständen von Kranken- und Rentenversicherungen bisher kaum Frauen sind, nehmen wir nicht länger hin. Dabei arbeiten im sozialen Bereich besonders viele Frauen."
Siemens-Chef Joe Kaeser begrüßte die Initiative der Koalition. "Wenn es die deutsche Wirtschaft über Jahrzehnte nicht geschafft hat, mehr Frauen in den Vorständen zu etablieren, dann muss der Gesetzgeber den Rahmen eben enger fassen", sagte Kaeser der Augsburger Allgemeinen bereits im November. "Die Wirtschaft hatte ihre Chance, hat sie aber nicht ausreichend genutzt." Mit Argumenten, dass nicht ausreichend Frauen als Führungskräfte zur Verfügung stünden, mache es sich die Wirtschaft zu einfach.
Das neue Gesetz betreffe rund 70 Unternehmen, von denen etwa 30 derzeit gar keine Frauen in ihren Vorständen hätten, teilten das Familien- und das Justizministerium in einer gemeinsamen Erklärung mit. Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der Unternehmen hat 2017 die Schwelle von 30 Prozent überschritten und liegt im November 2020 bei 35,2 Prozent. In den Vorständen der größten börsennotierten Unternehmen lag der Frauenanteil bei nur 11,5 Prozent.
Die Gesetzgebung sieht auch strengere Gleichstellungsregeln für staatlich kontrollierte Unternehmen vor, in denen Aufsichtsräte mit mehr als zwei Mitgliedern in der Geschäftsführung mindestens eine Frau haben müssen. Außerdem müssen Firmen künftig speziell begründen, wenn sie für den Vorstand, die beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Vorstands und den Aufsichtsrat ohne Frauen planen. Die Sanktionen bei Verletzung der Berichtspflichten sollen verschärft werden. Nach dem Kabinettsbeschluss muss der Gesetzesentwurf noch durch das parlamentarische Verfahren. Der Prozess solle noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden, sagte Giffey.
Laut dem DIW wird die neue Quote eine begrenzte Auswirkung haben.
"Sie wird die Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen nicht sofort auf den Kopf stellen. Dafür gilt sie für zu wenige Unternehmen", sagte Katharina Wrohlich, Leiterin der Abteilung Gender Economics am DIW, der Tageszeitung Rheinische Post.
Frauen stellen ein Drittel der Vorstände in Europas größten Unternehmen, besetzen aber nur eine kleine Minderheit der Führungspositionen, so eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie, wobei Norwegen bei der Geschlechtervielfalt an der Spitze liegt, gefolgt von Frankreich.
In Deutschlands größten börsennotierten Unternehmen ging der Anteil von Spitzenmanagerinnen während der Corona-Krise zurück. In den Vorständen der 30 Unternehmen, die dem wichtigsten deutschen Börsenindex Dax angehören, war der Frauenanteil zum September auf 12,8 Prozent gesunken. Fast die Hälfte der börsennotierten Unternehmen, für die künftig eine Frauenquote im Vorstand gelten soll, hat bislang keine Managerin in dem Führungsgremium. Das geht aus einer Auswertung der Organisation FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte) hervor (Stand: 31.Oktober). Darunter sind bekannte Unternehmen wie der Sportartikelhersteller Adidas, der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer und der Energieriese Eon.
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