Berliner Impfzentren-Organisator Broemme im RT-DE-Interview: "Moderna kommt nächste Woche!"

Die Kritik an der Impfstrategie der Bundesregierung wird immer lauter. Insbesondere die Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel, die Beschaffung der Impfstoffe an die EU-Kommission auszulagern, wird als Problem betrachtet. Wie sieht es in Berlin aus? RT DE sprach mit Albrecht Broemme.

Albrecht Broemme ist Organisator von sechs Berliner Impfzentren und Chef von 60 mobilen Impfteams in der Bundeshauptstadt. Er war bis Ende 2019 Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW). Zuvor war er ab Mitte 1992 Landesbranddirektor und Leiter der Berliner Feuerwehr.

Im Interview mit RT DE spricht Broemme offen über die Praxis, die Fehler und die Vorzüge seines Impf-Masterplans.

Eines der sechs Zentren, die Treptow-Arena, hat nach kurzer Öffnung gleich wieder pausiert. Wie geht es damit weiter?

Der Andrang war bis zum 1. Januar sehr schwach. Es gab nur wenige Anmeldungen. Über Neujahr hielten wir den Betrieb in Bereitschaft. Seit heute ist dort wieder geöffnet. Wir starten auf niedrigem Niveau, was die wenigen Impfdosen angeht. Das liegt zunächst daran, dass einfach zu wenig Impfstoff vorhanden ist.

Erst im November bestellte die EU beim Mainzer Unternehmen BioNTech 200 Millionen Impfdosen. Wie viele Impfdosen sind in allen sechs Berliner Zentren bisher für den Januar noch geplant? Was ist Wirklichkeit, was der Plan?

Zunächst bin ich froh, dass es wenigstens langsam anläuft. Wir haben zu unseren sechs Zentren zusätzlich 60 mobile Impfteams in den Alten- und Pflegeheimen am Start. Bei 3.000 Impfungen am Tag plus 800 in der Arena wären wir an der Grenze. Der Plan wäre, täglich bis zu 20.000 Menschen zu impfen. Die zugesagten 900.000 Impfungen, pro Patienten zwei, also 450.000 bis Ende Februar könnten wir schaffen, wenn der Impfstoff da wäre. Die Zentren sollen bis spätestens 30. Juni offen sein.

Sie brauchen weit über 1.000 Leute zum Betrieb der sechs Impfzentren. Wie viele und welche Mitarbeiter benötigen Sie derzeit?

"Was wir benötigen, wären Aufbereiter des Impfstoffes, also medizinisch vorgebildetes Apothekerpersonal. Da haben wir eindeutig zu wenige. Dank des Engagements der Kassenärztlichen Vereinigung haben wir bei den Ärzten genug Fachpersonal am Start."

Wie lange wird es bei derzeitiger Geschwindigkeit dauern, bis alle Berliner geimpft sind?

Ich möchte mich nicht an den Spekulationen um die von einer großen Zeitung aufgebrachte Zahl von 300 Jahren beteiligen. Da scheint mir wohl eher jemand die Nullen etwas durcheinander gebracht zu haben. Ich rechne fest mit dem neuen Mittel von Moderna noch vor Ende Januar, das wir nächste Woche schon in unseren Zentren im Velodrom und im Erika-Heß-Stadion verabreichen wollen. Auch dieser Impfstoff muss zweimal gegeben werden. BioNTech läuft parallel weiter. Ich glaube, das geht deutlich schneller, auch wenn die Hersteller mehr liefern sollten.

Was halten Sie vom Freitesten in Apotheken oder in Betrieben? Würde das die Impfgeschwindigkeit erhöhen?

Ich möchte nichts legalisieren, was illegal ist. Ein Schnelltest spiegelt ja nicht die Infektion des ersten Tages wider. Erst am dritten Tag hat man wirklich valide Erkenntnisse. Insofern halte ich da nichts von Freitests aus der Apotheke, was FDP und manche Österreicher fordern. Außerdem besteht ja leider auch eine hohe Fehlerwahrscheinlichkeit.

Der Bundesgesundheitsminister stößt bei seiner Priorisierung vulnerabler Gruppen immer wieder auf Kritik. Teile der FDP etwa fordern, noch vor der Eröffnung der Kitas und Schulen auch Lehrer und Erzieher vorgezogen zu impfen. Macht das Sinn?

Für mich gehören auf jeden Fall die Polizisten und die Feuerwehrleute zur wichtigeren Gruppe nach den Pflegebedürftigen und Alten. Da tauchen sie aber noch nicht auf. Das muss man ändern, bevor man an Lehrer und Erzieher denkt.

Immer wieder gibt es Unstimmigkeiten bei den verschiedenen Hotlines um die personelle Besetzung. Was läuft da schief?

Ich hätte mir schon gewünscht, dass da vom Ministerium mal ein Machtwort gesprochen wird, was die Länderzuständigkeiten angeht. Wir haben ja den Lockdown nicht zum ersten Mal. Da sollte man doch ein paar Erkenntnisse vom Ersten gemacht haben.

Um Engpässe zu beseitigen, hilft es, patentrechtliche Beschränkungen etwa beim Mainzer Hersteller BioNTech aufzuheben?

Wir hatten das ähnliche Problem schon bei einem Hersteller von Beatmungsgeräten im Frühjahr. Wir fragten, ob man befristet Lizenzen an andere Hersteller geben kann. Doch zum einen gibt es das Medizinproduktverantwortungsgesetz. Zum anderen dauert die Erprobung und die Ertüchtigung für einen Fremdanbieter doch eher zwei Jahre. Kurzum: So läuft es bei BioNTech und dem Impfstoff auch. Ich halte von einer solchen Lizenzvergabe nichts. Wir dürfen bei der Qualität keine Abstriche machen. Lieber dauert es etwas länger.

Danke für das Gespräch!

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