Es war die Schreckensnachricht der letzten Tage. Demzufolge breite sich eine neue Variante des Coronavirus im Südosten Großbritanniens rasant aus.
Am Samstag erklärte Premierminister Boris Johnson auf einer Pressekonferenz in der Downing Street:
"Angesichts des beginnenden Nachweises einer neuen Virusvariante und des potentiellen Risikos, das es mit sich bringt, muss ich Ihnen schweren Herzens mitteilen, dass wir Weihnachten nicht wie geplant weitermachen können."
Seit Sonntag herrscht in der Hauptstadt London und in weiten Teilen Südostenglands ein harter Shutdown mit Ausgangssperren, auch über die Weihnachtstage. Zahlreiche EU-Länder verfügten ein Landeverbot für Flugzeuge aus dem Vereinigten Königreich. Hierzulande sind Einreisen aus Großbritannien nun bis zum 6. Januar verboten.
Die neue Mutation von SARS-CoV-2 sei deutlich ansteckender, wurde berichtet. Auch die englische Gesundheitsbehörde Public Health England (PHS) kam nun zu diesem Ergebnis. Mit Bezug auf die Studie zeigte sich zuletzt auch der in Sachen Coronavirus omnipräsente SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach alarmiert.
Die Briten berufen sich dabei auf Untersuchungen des Erbguts der neuen Variante. Hinzu kommen Modellrechnungen zu deren Ausbreitung. Eine der wiederum rund 20 Mutationen der neuen Variante B.1.1.7, heißt es, dürfte insbesondere dafür verantwortlich sein, dass das Virus leichter übertragen werden könne.
Für die Mutmaßung, dass der neue Stamm womöglich aggressiver sei und die Krankheitsverläufe bei COVID-19 negativ beeinflusse, liegt derzeit jedoch keine offizielle Bestätigung vor.
Nun schaltete sich der in Deutschland gefragteste Virologe Christian Drosten ein, der "wichtigste Gewährsmann" des Regierungskurses in Sachen Corona-Maßnahmen. Mit Bezug auf die PHE-Daten schrieb er Montagnacht bei Twitter.
"Das sieht leider nicht gut aus."
Positiv sei aber, dass B.1.1.7-Fälle bislang nur in Gebieten zugenommen haben, wo die Gesamtinzidenz hoch oder ansteigend war.
"Kontaktreduktion wirkt also auch gegen die Verbreitung der Mutante."
Zuvor ging Drosten ebenfalls am Montag davon aus, dass die neue Virusmutation bereits in Deutschland sei. "Ich denke, dass das schon in Deutschland ist", so Drosten im Deutschlandfunk. Zu diesem Zeitpunkt des Tages hatte der Virologe noch wesentlich besonnener geklungen.
"Dieses Virus ist ja jetzt gar nicht so neu und auch davon darf man sich jetzt wirklich nicht irgendwie aus der Ruhe bringen lassen."
Schließlich komme die "kleine Variante" des Virus bereits seit Ende September in Teilen Großbritanniens vor und sei noch im Oktober überhaupt nicht im Fokus gewesen:
"Auch im ganzen Dezember ist es dort in Südostengland und in London immer wieder vorgekommen und wir wissen jetzt, dass es schon in Italien, in Holland, in Belgien, in Dänemark, sogar in Australien ist. Warum sollte es nicht in Deutschland sein? Das ist überhaupt nichts Schlimmes."
Er sei nicht "sehr besorgt im Moment", erklärte der Leiter der Virologie an der Berliner Charité bei dieser Gelegenheit. Die Informationslage sei aber noch unklar. An besagtem Montag erklärte Drosten:
"Das sagen die britischen Wissenschaftler genauso. Die sagen auch, sie müssen zumindest mal noch bis diese Woche warten, bis ein paar vorläufige Datenanalysen abgeschlossen sind, um überhaupt zu sagen, dass der Verdacht, den sie da äußern, stimmt."
In ihrer im Verlauf des Montags publizierten Studie trieb die britischen PHE-Forscher dann insbesondere eine Mutation mit der Bezeichnung N501Y um. Sie könnte demnach dafür sorgen, dass das Virus besser an Zielzellen andocken könne. Zudem liege die Mutation an einer Stelle, an der bestimmte Antikörper des Menschen angreifen, um das Virus auszuschalten.
"Deshalb ist es möglich, dass solche Varianten die Wirksamkeit beim Neutralisieren des Virus beeinflussen."
Doch die Sorge um die Wirkung der auf den Markt drängenden Corona-Impfstoffe sei unbegründet, erklärte das COVID-19 Genomics UK Consortium am Samstag.
Am Dienstag veröffentlichte der Deutschlandfunk ein Update:
"Nach anfänglich zuversichtlichen Äußerungen zeigt sich der Virologe Christian Drosten angesichts neuer Daten nun doch besorgt über die Coronavirus-Mutation in Großbritannien. Eine Auswertung britischer Behörden bestätigt, dass die Corona-Variante in der Tat deutlich ansteckender ist als bisher aufgetretene Varianten", heißt es dort.
Doch auch das Update ist schon wieder passé (und wurde entfernt), denn am Dienstagabend twitterte Drosten:
"Mit der Formulierung 'Das sieht nicht gut aus' habe ich ja was losgetreten."
Seine Aussage habe sich "allein auf den jetzt deutlicheren Beleg der verstärkten Verbreitung der Mutante" bezogen. Ansonsten habe sich seine gegenüber dem Deutschlandfunk geäußerte Einschätzung nicht geändert.
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