Der Mediziner und Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt warnt vor überzogenen Erwartungen an einen harten Lockdown. Er plädiere zwar ebenfalls für Kontaktbeschränkungen zwischen Weihnachten und dem 10. Januar, denn aufgrund der hohen Belastung in den Kliniken müsse man die Kontakte schnell und deutlich reduzieren, sagte Reinhardt gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
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Es sei jedoch illusorisch zu glauben, dass man die Situation durch einen harten Lockdown von 14 Tagen ab Weihnachten in den Griff bekomme. Dies könne höchsten zu einer Verschnaufpause führen:
"Nach dem Ende eines wie auch immer gearteten Lockdowns werden die Infektionszahlen bei Lockerung der Maßnahmen auch wieder steigen", sagte Reinhardt.
Um die Lage zu entspannen, müssten Konzepte entwickelt werden, um ältere Menschen aus der Risikogruppe nachhaltig zu schützen:
"Deshalb müssen endlich bundesweit Konzepte umgesetzt werden, um besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen, also vor allem ältere Menschen, wirksam zu schützen", erklärte Reinhardt.
Dabei hob Reinhardt besonders Tübingen hervor und lobte die Vorgehensweise des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen). In Tübingen werden Personen aus der Risikogruppe wie Bewohner von Alten- und Pflegeheimen kostenlos mit FFP2-Schutzmasken versorgt. Außerdem sollen ältere Menschen vorzugsweise in einem bestimmten Zeitfenster zwischen 9:30 und 11 Uhr einkaufen gehen und Sammeltaxis statt Busse nutzen. Der Erfolg gibt Palmer recht: Unter den Bewohnern von Altenheimen gibt es bei denjenigen älter als 75 Jahre derzeit keinen einzigen Fall von COVID-19.
Außerdem fordert Reinhardt ein einheitlicheres Vorgehen zwischen Bund und Ländern. Denn angesichts vom ständigen Hin-und-Her unter den Politikern und dem Flickenteppich von Regelungen bestehe die Gefahr, dass wir die Zustimmung der Bevölkerung zu den Corona-Maßnahmen verlieren.
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