Kommen schärfere Lockdown-Regeln? Schließung des Einzelhandels bereits im Gespräch

Erst hieß es, es gebe nur einen "Wellenbrecher-Lockdown" im November. Dann folgten zwei Verlängerungen, auch eine Aufhebung der für Weihnachten und Silvester geplanten Lockerungen wurde ins Spiel gebracht. Nun wird bereits über das geredet, was Bundesgesundheitsminister Jens Spahn "mit dem Wissen von heute" noch im September ausgeschlossen hatte: eine Schließung des Einzelhandels.

Nach den Überlegungen mehrerer Politiker vom Wochenende, den Lockdown auch über den 10. Januar hinaus zu verlängern, und den vielfach geäußerten Forderungen, die angedachten Lockerungen zu Weihnachten und Silvester doch nicht stattfinden zu lassen, kommt jetzt der nächste Streich: Auch Läden könnten wieder schließen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel habe am Montag in einer Video-Sitzung der Unionsfraktion gesagt, dass die Zahlen auf einem viel zu hohen Niveau stagnieren würden, wie die dpa berichtet. Daher werde man den Winter wohl nicht ohne zusätzliche Maßnahmen überstehen können. Was genau zu tun sei, müsse noch vor Weihnachten entschieden werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte gegenüber Phoenix:

"Der Ansatz, kurz und umfassender, um wirklich einen Unterschied zu machen, ist wahrscheinlich der erfolgreichere. Wenn wir nicht hinkommen mit der Entwicklung der nächsten ein, zwei Wochen bis Weihnachten, dann müssen wir das diskutieren."

Dabei hatte es bei Spahn im September noch geheißen, der Staat werde "mit dem Wissen von heute (...) keine Friseure mehr schließen und keinen Einzelhandel mehr schließen". Das werde nicht noch einmal passieren, so der Minister damals bei einem Auftritt auf dem Marktplatz in Bottrop.

Jetzt sind erneute Schließungen im Einzelhandel jedoch offenbar nicht mehr ausgeschlossen. Aktuell unterschreite nämlich kein Bundesland das von der Politik festgesetzte Ziel, die Zahl der positiv Getesteten auf unter 50 pro 100.000 Einwohnern über sieben Tage zu bringen. So seien zunächst härtere Maßnahmen in der Zeit zwischen den Weihnachtsfeiertagen bis zum Jahresbeginn angedacht, wie Bild berichtet. Im Gespräch sei beispielsweise, dann nur Kaufhallen geöffnet zu lassen. Konkrete ausdiskutierte Maßnahmen gebe es nach Informationen der dpa jedoch noch nicht.

Bayern, das Saarland und Baden-Württemberg hätten auf rasche zusätzliche Bund-Länder-Beschlüsse gedrängt. Doch nicht alle Ministerpräsidenten seien dafür. Berlin, Bremen, Niedersachsen und Thüringen hätten Zweifel, ob das nötig ist. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:

"Wir haben in der Ministerpräsidentenkonferenz Regelungen bis zum 10. Januar 2021 festgelegt. Jeder weiß, was zu tun ist."

Auch der Regierende Bürgermeister Berlins Michael Müller betonte, dass er ein weiteres Treffen zwischen Bund und Ländern zur erneuten Absprache über die Corona-Maßnahmen nicht für nötig halte. Wer angesichts der hohen Zahlen weitere Maßnahmen für Weihnachten und über Weihnachten hinaus beschließen wolle, der könne das aber tun. Zudem schloss er selbst im ARD-Morgenmagazin für die Zeit nach den Feiertagen nichts aus:

"Ich kann mir das sehr gut vorstellen, dass es danach Einschränkungen gibt. Es gibt auch keinen Grund, sich dann wirklich noch am 28. Dezember einen Pullover zu kaufen, das kann man auch vorher machen."

Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, plädierte für die Zeit nach Weihnachten für eine Verschärfung der Regelungen. Und der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte gegenüber der Rheinischen Post:

"Wir brauchen überall in Deutschland, wo die Infektionszahlen hoch sind, bis Weihnachten harte Ausgangsbeschränkungen, bei denen die Menschen nur noch aus triftigem Grund das Haus verlassen dürfen."

Anderenfalls drohe den Intensivstationen kurz nach dem Jahreswechsel der Kollaps. Klar für zeitnahe Bund-Länder-Beschlüsse sprach sich unterdessen der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, aus. Je früher die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten Beschlüsse treffe, desto besser, so der SPD-Politiker gegenüber der Passauer Neuen Presse. Und nach Auffassung von Alexander Dobrindt habe Bayern hier "bereits wichtige Entscheidungen getroffen, denen die anderen Bundesländer folgen sollten", so der CSU-Landesgruppenchef gegenüber Bild.

Darüber hinaus hat die in Frankfurt/Oder ansässige Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina unter Mitwirkung von Christian Drosten und RKI-Chef Lothar Wieler ein "Ad-hoc-Papier" ausgearbeitet, in dem ein harter Lockdown bis zum 10. Januar empfohlen wird. Demnach sollten Kontakte im privaten und beruflichen Bereich auf ein Mindestmaß reduziert werden. Schulen sollten bis zum Beginn der Weihnachtsferien schließen, das Homeoffice zur Regel werden. Und: Alle Geschäfte bis auf diejenigen des täglichen Bedarfs sollten in diesem Zeitraum schließen. Zur Begründung heißt es in dem Papier:

"Die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel bergen mit ihren traditionell verstärkten und engen sozialen Kontakten große Risiken für eine weitere Verschlechterung der Infektionslage. In ihnen liegt aber auch die Chance, einen großen Schritt voranzukommen, um die Situation zu verbessern."

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