Der Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags in Sachsen-Anhalt spitzt sich zu. Die Koalition aus CDU, SPD und Grünen ist über das Thema aktuell zerstritten. Während SPD und Grüne zustimmen wollen, lehnt die CDU das Vorhaben ab. Besonders brisant aus Sicht der beiden kleineren Koalitionspartner – und darüber hinaus möchte auch Die Linke mit "Ja" votieren – ist der Umstand, dass bei einer entsprechenden Abstimmung die CDU genauso abstimmen würde wie die AfD.
CDU und AfD haben zusammen eine Mehrheit im Parlament. Das Vorhaben wäre mit einem gemeinsamen "Nein" demnach gescheitert – und zwar bundesweit, da die Zustimmung aller Länder für ein Inkrafttreten erforderlich ist. Der Medienausschuss des Landtags hatte die Entscheidung zuletzt auf den 9. Dezember vertagt. Die abschließende Abstimmung im Landtag selbst ist für den 15. Dezember vorgesehen.
Der Innenminister und zugleich Landesvorsitzende der CDU Holger Stahlknecht hatte der Volksstimme Anfang dieser Woche ein Interview zu dem Thema gegeben. Darin bezeichnete er das "Nein" der CDU als "nicht verhandelbar". Das habe der Landesvorstand der Partei auch so beschlossen. Die Debatte würde in der veröffentlichten Meinung derzeit unter dem Narrativ geführt, es gehe ja lediglich um 86 Cent. Tatsächlich ginge es jedoch um eine Summe von 1,5 Milliarden Euro jährlich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und die CDU-Fraktion hinterfrage zu Recht, ob es seitens der Rundfunkanstalten ausreichend Sparbemühungen gegeben hätte.
Darüber hinaus berichteten die Öffentlich-Rechtlichen "gelegentlich nicht auf Augenhöhe, sondern mit erhobenem Zeigefinger der Moralisierung", wenn es um die östlichen Bundesländer gehe. Es müsse möglich sein, "die Strukturen derjenigen auf den Prüfstand zu stellen, die vom Geld der Beitragszahler leben". Stattdessen sei es Praxis, dass die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ihre Vorschläge "geölt, gesalbt und nicht mehr angreifbar" vorlege. Es könne jedoch nicht sein, dass die Landtage in Deutschland zu "Abnickvereinen" degradiert werden.
Stahlknecht wolle weder eine Koalition noch eine "strategische Zusammenarbeit" mit der AfD. Die Drohung der Koalitionspartner SPD und Grüne, im Falle einer gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD die Koalition platzen zu lassen, bezeichnete Stahlknecht als "eine Verformung, eine Pervertierung der Demokratie". Dies diene nicht mehr dem Wohl des Volkes und sei der Abschied von staatspolitischer Verantwortung. Der Ball läge jetzt in deren Feld. Auf die Frage, was geschähe, wenn jene die Koalition beendeten, antwortete Stahlknecht:
"Dann käme es zu einer CDU-Minderheitsregierung und zur regulären Landtagswahl am 6. Juni 2021."
Ministerpräsident Reiner Haseloff, selbst ein Befürworter der Erhöhung des Rundfunkbeitrags, nahm nunmehr Stahlknechts Interview-Äußerungen zum Anlass, den Innenminister zu entlassen. Das Interview sei nicht abgesprochen gewesen, so die offizielle Begründung. Nach der Entlassung beriet zunächst der CDU-Landesvorstand über die Lage.
Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Cornelia Lüddemann wertete Stahlknechts Äußerungen als den Versuch, den Ministerpräsidenten zu stürzen und eine Minderheitsregierung mit der AfD vorzubereiten. Auch die SPD kritisierte den CDU-Politiker und hat dessen Entlassung begrüßt. Man habe die Entscheidung des Ministerpräsidenten "mit Respekt zur Kenntnis genommen", so die Fraktionsvorsitzende Katja Pähle gegenüber dpa. Das Interview von Stahlknecht habe gezeigt, "dass wichtige Kräfte in der CDU nach rechts offen sind". Und weiter:
"Ich appelliere an die Führung der Bundes-CDU, sich in dieser Krisensituation nicht vor ihrer Verantwortung zu drücken und sich dafür stark zu machen, dass die CDU in Sachsen-Anhalt klar und unmissverständlich jede Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt."
Die Linke und auch die FDP, die derzeit nicht im Landesparlament vertreten ist, forderten Ministerpräsident Haseloff unterdessen auf, sich erneut vom Landtag legitimieren zu lassen und die Vertrauensfrage zu stellen. Gleichzeitig warben acht Landräte von CDU, SPD und Linken in einem offenen Brief für eine Fortsetzung der Koalition bis zum Ende der Wahlperiode. Man brauche in harten Zeiten "Zusammenhalt statt Spaltung", heißt es unter anderem in dem Aufruf.
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