Dem eigenen Leitbild zufolge arbeitet das Robert Koch-Institut (RKI) "eigenverantwortlich, unabhängig und transparent". Auf der Webseite des RKI heißt es weiter, dass "Interessenkonflikte und Forschungsprojekte, die nicht öffentlich finanziert werden, werden als solche kenntlich gemacht". Dieser Punkt dürfte das RKI nun in Erklärungsnot bringen, denn ein Fachbereichsleiter ist geschäftlich an einer Firma beteiligt, die Corona-Tests mitentwickelt hat.
Der Berliner Senat bestätigte auf eine Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (parteilos) Anfang November, dass der RKI-Mitarbeiter Heinz Ellerbrok, der für die Abteilung ZIG 4: Public-Health-Laborunterstützung zuständig ist, gleichzeitig an der Firma GenExpress Gesellschaft für Proteindesign beteiligt ist. Zu den Aufgaben der Abteilung gehört laut RKI der "Public Health Laboratory Support", also die Unterstützung der Labore, die für die öffentliche Gesundheit zuständig sind.
In den Zuständigkeitsbereich der Abteilung fallen unter anderem die Schulung des Laborpersonals, der Aufbau von mobilen Laboren und die Entwicklung von "best practices" für Qualitätsmanagement und Biosicherheit. Ellerbrok ist aber auch Gesellschafter der Firma GenExpress Gesellschaft für Proteindesign. Nach eigenen Angaben arbeitet die Firma "eng mit der Firma TIB MOLBIOL im gleichen Hause zusammen" und entwickelt Standards für PCR-Tests. Anfang des Jahres hatten die Firmen zusammen mit dem Virologen Christian Drosten einen der ersten PCR-Tests entwickelt, der dem Nachweis von COVID-19-Erregern dienen soll. Nach eigenen Angaben zählt das RKI schon "seit mehr als 20 Jahren" zum Kundenstamm der beiden Unternehmen. Seit 15 Jahren arbeitet das Unternehmen im geringen Umfang auch für die Charité.
RKI-Präsident Lothar Wieler hatte letzte Woche während einer Pressekonferenz erklärt, dass er sich zu dem konkreten Fall derzeit nicht äußern wolle, da ihm hierzu die Informationen fehlen. Gleichzeitig betonte Wieler, dass er es kritisch sehe, wenn Mitarbeiter auch im Geschäft mit Corona-Tests tätig sind:
Wir haben ganz klare Compliance-Regeln am Institut, das ist auch einer der Gründe, ganz klar aus meiner Sicht auch eine Stärke dieses Instituts. Prinzipiell haben wir Compliance-Regeln, die es unmöglich machen, dass so etwas passieren sollte", sagte Wieler.
Weiterhin erklärte der RKI-Chef, die Rechtsabteilung seines Hauses werde die Vorwürfe prüfen. Eine Anfrage des Handelsblatts an das RKI ergab nun, dass dem RKI seit dem Jahr 2008 die Beteiligung Ellerbroks bekannt war. Wie eine Sprecherin erklärte, habe Ellerbrok das RKI entsprechend informiert. Ellerbrok sei daraufhin angewiesen worden, dass er keine vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekte leiten darf, an denen sowohl das RKI als auch seine Firma beteiligt seien. Auch Bestellungen des Instituts an seine Firma waren ihm untersagt worden.
Wie eine Sprecherin des RKI weiter ausführte, habe sich Ellerbrok jedoch regelkonform verhalten und hätte die Verbindung nicht einmal öffentlich machen müssen. Laut Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Bundes müssen Beschäftigte Nebentätigkeiten, für die sie Geld oder Sachleistungen erhalten, rechtzeitig und schriftlich anzeigen. Eine Beteiligung an einem Unternehmen sei jedoch keine "Tätigkeit gegen Entgelt", so die Argumentation des RKI.
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