Nach der Verschärfung des Lockdowns forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel nun die Bevölkerung dazu auf, bei der Kraftanstrengung im Kampf gegen das Coronavirus nicht nachzulassen.
Gerade jetzt, da wir so viel an Weihnachten und an den kommenden Jahreswechsel denken, wünsche ich mir und wünsche ich uns allen, dass wir mehr denn je miteinander und füreinander einstehen", erklärte die CDU-Politikerin am Donnerstag in einer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag.
Teil-Lockdown Anfang November war "unausweichlich"
Mit emotionalen Worten appellierte Merkel auch an alle Bürgerinnen und Bürger:
Wenn wir das beherzigen, werden wir aus der Krise kommen.
Nach Ansicht der Kanzlerin sei die Rückkehr zu einem Teil-Lockdown Anfang November "unausweichlich" gewesen. Jetzt seien die Kontakte in der Bevölkerung immerhin um etwa 40 Prozent zurückgegangen.
Es ist nicht auszudenken, wo wir heute stünden, wenn wir vor vier Wochen, als es buchstäblich 5 vor 12 war, nicht zu dieser nationalen Kraftanstrengung bereit und in der Lage gewesen wären", zeigte sich Merkel überzeugt.
Während ihrer Rede kam Merkel auch auf die Wahrscheinlichkeit zu sprechen, dass die aktuellen Maßnahmen bis Januar beibehalten werden müssten.
Angesichts des hohen Infektionsgeschehens gehen wir davon aus, dass die Beschränkungen bis Anfang Januar weiter gelten müssen, jedenfalls für die allermeisten Teile der Bundesrepublik Deutschland", versicherte die Bundeskanzlerin.
Impfstoffe versprechen "Licht am Ende des Tunnels"
Zuversicht wollte Merkel derweil nur sehr begrenzt verbreiten. Anlass zur Hoffnung würden demnach vor allem die fortgeschrittenen Zulassungsverfahren für Impfstoffe geben. Diese würden das Problem zwar nicht sofort lösen, seien aber immerhin ein "Licht am Ende des Tunnels". Falls es schon vor Weihnachten Impfstoffe gebe, würden sie denjenigen angeboten, die im medizinischen und pflegerischen Bereich arbeiten.
Dieses Virus lässt sich nicht betrügen und nicht umgehen", so Merkel.
Das Virus lasse sich nicht "dazu zwingen, sich anders zu verhalten, nur, weil es in Deutschland ist, oder weil es vor einer Schule ist". Die Infektionszahlen "stagnieren auf viel zu hohem Niveau", zeigte sich Merkel überzeugt. Am Mittwoch hatte das Robert Koch-Institut mit mehr als 400 Todesopfern binnen eines Tages einen neuen Höchstwert vermeldet. "Das muss uns mit Sorge erfüllen", mahnte die CDU-Politikerin.
Zugleich wird der bayerische Ministerpräsident Markus Söder in diesem Zusammenhang mit folgenden Worten zitiert, die zu Beginn der gestrigen Sitzung gefallen wären:
Wir dürfen keine Zeit verlieren. Die Todeszahlen sind aktuell so hoch, als würde jeden Tag ein Flugzeug abstürzen", habe Söder laut Bild erklärt.
"Damit Weihnachten ein sicheres Weihnachten ist"
Merkel appellierte nun im Bundestag an die Bürger, bei Weihnachtsbesuchen etwa älterer Familienmitglieder eine Woche des Schutzes vorzuschalten, "in der alles darangesetzt" werden solle, "die Kontakte wirklich zu minimieren, damit Weihnachten ein sicheres Weihnachten ist".
Und die Kanzlerin warnte weiter: "Wir wollen nicht, dass über die Feiertage die Infektionszahlen hochschnellen." Mit Blick auf Winterurlaube sprach sie sich dafür aus, dass alle Skigebiete in Europa schließen. Zudem prophezeite Merkel der Bevölkerung noch einzige schwierige Monate:
Wir haben ganz ohne Zweifel noch einmal schwierige Monate vor uns.
Hoffnung leitete sie aus dem Umstand ab, dass die große Mehrheit der Menschen "sich an die Dinge hält, die wir vereinbaren und damit auch eine Eindämmung möglich macht".
Auch zum Thema der milliardenschweren Finanzhilfen äußerte sich die Bundeskanzlerin, und erklärte, dass der Bund diese nicht unbeschränkt leisten könne. Es sei notwendig, die von Schließungen betroffenen Branchen wie die Gastronomie auch im Dezember zu unterstützen. Sie trügen eine enorme Last für die ganze Gesellschaft.
Weitere Finanzhilfen von 17 Milliarden Euro
Wie am Dienstag gemeldet wurde, plant der Bund im Dezember Finanzhilfen für betroffene Unternehmen im Umfang von voraussichtlich 17 Milliarden Euro. Mit den Finanzmitteln sollen von den temporären Schließungen erfasste Betriebe wie Kneipen und Restaurants sowie Freizeit- und Kultureinrichtungen und Selbstständige weiter unterstützt werden.
Es sei aber "klar, dass wir das nicht bis Ultimo fortführen können", so die CDU-Politikerin. Zudem solle "jeder nicht notwendige Kontakt vermieden werden". Die Bundesregierung werde die Arbeitgeber bitten, jede Möglichkeit für Homeoffice zu nutzen. Wenn möglich, sollten zwischen den Feiertagen Betriebsferien eingelegt werden.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller wandte sich in dramatischen Worten an die Bevölkerung.
Wir sind in einer Situation, wo es wirklich auch in vielen Bereichen um Leben und Tod geht", so der SPD-Politiker.
Handelsverband warnt vor "Hamsterkäufen"
Allerdings übte neben der Opposition auch der Einzelhandel scharfe Kritik an den Corona-Maßnahmen – so etwa Deutschlands größter Lebensmittelhändler-Verbund Edeka.
Wir halten die Begrenzung der Kundenzahl ab 800 Quadratmetern Verkaufsfläche für kontraproduktiv und nicht nachvollziehbar", erklärte Edeka-Chef Markus Mosa am Donnerstag.
Die hohe Nachfrage gerade im Weihnachtsgeschäft lasse sich so nicht bedienen. Der Hinweis der Politik, dass die Verbraucher ihre Einkäufe auf die Wochentage verteilen sollten, sei ebenfalls nicht hilfreich, denn das täten die Kunden bereits seit dem ersten Lockdown, meinte Mosa.
Auch bei einer weiteren Verteilung der Kundenströme könnten wir die hohe Nachfrage gerade im Weihnachtsgeschäft nicht bedienen.
Zudem verzerre der Beschluss den Wettbewerb, klagte der Edeka-Chef. Supermärkte mit Bedientheken und einer dadurch höheren Verweildauer der Kunden seien extrem benachteiligt im Vergleich zu Konkurrenten, die nur auf Selbstbedienung setzten.
Das wird einen weiteren Schub geben in Richtung SB-Formate mit ausschließlich preisorientierten Angeboten", prognostizierte der Händler.
Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung, nur noch einen Kunden pro 25 statt wie bisher pro zehn Quadratmetern Verkaufsfläche zuzulassen, könne zu langen Schlangen vor den Geschäften und "zu neuen Hamsterkäufen im Lebensmittelhandel führen", warnte auch der Hauptgeschäftsführer im Handelsverband Deutschland (HDE) Stefan Genth.
Es sei "lebensfremd, jedem Kunden 25 Quadratmeter Platz einräumen zu wollen, 10 Quadratmeter sind bereits ziemlich üppig", erklärte auch der Präsident des Deutschen Landkreistags Reinhard Sager (CDU), gegenüber dem Handelsblatt.
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