Dietmar Bartsch spricht sich für eine Verlängerung des Lockdowns im Sinne der Beschlussvorlage der Bundesländer aus. Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag kritisierte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk und dem RedaktionsNetzwerk Deutschland mangelnde Transparenz und Inkonsequenz bei den Entscheidungen. Eine Ablehnung der Beschlüsse der Bundes- und Landesregierungen – trotz "handwerklicher Fehler" – schließt er aber aus:
Natürlich müssen bestimmte Maßnahmen verlängert werden, aber es braucht Transparenz, Nachvollziehbarkeit und mehr Logik in den Entscheidungen.
Bartsch sieht eine "Unlogik" in der Zusammenstellung der einzelnen Lockdown-Maßnahmen. Es fehle eine "mittelfristige und langfristige Strategie":
Nehmen Sie nur die Tatsache, dass weiterhin im Fußball fragwürdige Länderspiele mit Reisen quer durch Europa stattfinden, dass wir bei Ikea weiterhin volle Hütte haben und dass Theater, Kinos, Gaststätten, obwohl sie behördlich genehmigte Hygienekonzepte entwickelt haben, viel investiert haben, zugemacht werden.
Mit solchen undurchschaubaren Konzepten lasse sich kaum Akzeptanz bei der Bevölkerung gewinnen. "Das Schlechteste, was eine Regierung tun kann", sei es, das Vertrauen zu zerstören. Dieses lasse sich nur gewinnen, wenn Entscheidungen transparent getroffen werden. Die Bevölkerung müsse nachvollziehen können, "was Virologen, Soziologen, Wirtschaftsfachleute beraten". Die "täglichen Wasserstandsmeldungen vom RKI" seien nicht ausreichend.
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Kritik an der "Ein-Freund-Regel" für Kinder
An der Beschlusslage der Bundesländer kritisiert der Linken-Politiker vor allem die Kontakteinschränkung für Kinder: "Die Ein-Freund-Regel unter Kindern ist lebensfremd und muss kassiert werden." Ob eine generelle Maskenpflicht auch für Grundschüler gelten solle, könne er nicht sicher sagen – es fehlten die Einschätzungen von Fachleuten.
Das sind so Dinge, wo ich, ehrlich gesagt, das Zweifeln bekomme, ob die Maßnahmen so wirklich durchgeführt werden sollten.
Sollte die Faktenlage es hergeben, spricht sich Bartsch für die Einführung einer allgemeinen Maskenpflicht sowie weitergehende Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum aus.
Wenn Menschen in einem Prozess erkannt haben und sagen, das ist eine richtige Maßnahme, dann sollten wir gemeinsam dafür werben, dass sie dann auch umgesetzt werden. Alles andere würde gerade diejenigen, die jetzt unter der Krankheit leiden, diejenigen, die in Intensivbetten sind, verhöhnen.
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"Das ist kein demokratischer Prozess"
Wie die Entscheidungen getroffen werden, hält der Linken-Fraktionschef aber für kritikwürdig. Statt einer ergebnisoffenen Diskussion im Bundestag und Bundesrat würden Beschlüsse der Bundesregierung in die Medien gegeben und von den Ministerpräsidenten der Länder "maximal noch abgenickt".
Das, was vorgelegt ist, da gibt es vielleicht noch die Entscheidung, dass die Kommafehler verändert werden, aber das ist dann auch alles. Und ich finde, so geht das nicht. [...] Ich bin Vorsitzender einer Oppositionspartei im Deutschen Bundestag. Ich erwarte, dass ich nicht via Medien die Papiere zugesandt kriege und heute dann um 16 Uhr mit der Kanzlerin telefonieren darf. Das ist kein demokratischer Prozess. [...] Die jetzige Art und Weise, dass sozusagen von oben regiert wird und dass die Runde der Ministerpräsidenten jetzt auch zu einer Abnickrunde wird, das, finde ich, geht so nicht.
Stattdessen fordert Bartsch einen Entscheidungsfindungsprozess, "der nachvollziehbar ist". Es müsse eine kontroverse Debatte geben und "mehrheitliche Entscheidungen dort getroffen werden, wo sie hingehören: in den Landesparlamenten und auch im Deutschen Bundestag".
Angesprochen auf die Möglichkeit der Linkspartei, den Entscheidungen zu widersprechen – etwa über Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow –, entgegnet Bartsch, es sei das "Schlechteste", wenn jedes Bundesland "seinen eigenen Weg versucht zu gehen".
Ich bin für Transparenz und Kontroverse. Am Ende bin ich für Entscheidungen. Das ist doch völlig klar.
Seine Kritik betreffe vor allem das Verfahren. Es gehe primär darum, bei der Bevölkerung um Akzeptanz der Maßnahmen zu werben – diese scheine in letzter Zeit nachzulassen. Bartsch stellt deutlich heraus, man könne viel kritisieren, "aber wenn entschieden wird, dann mögen sich bitte alle Bürgerinnen und Bürger daran halten".
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