Twitter-Streit zwischen Drosten und Homburg über "exponentielles Wachstum"

Auf Twitter entbrannte zwischen Christian Drosten und Stefan Homburg ein Streit über das angeblich "exponentielle Wachstum" der Corona-Fallzahlen. Laut Homburg ist dies aber mehr als eine akademische Diskussion, denn das "exponentielle Wachstum hält uns im Lockdown 2.0".

Hart geführte Diskussionen in den sozialen Medien sind keine Seltenheit, doch wenn sich der Virologe Christian Drosten und Finanzwissenschaftler Stefan Homburg streiten, wird es richtig interessant.

Die Debatte begann mit dem Post eines Twitter-Users namens "jens_", in dem er mithilfe einer Grafik darauf aufmerksam machte, dass die Rate abnimmt, mit der die Zahl an positiv auf COVID-19 getesteten Personen in Deutschland wächst – und zwar schon vor Beginn des zweiten Lockdowns. Zugegeben, der Twitter-Nutzer hatte den irreführenden Begriff "negatives Fallwachstum" genutzt. Der bekannte Virologe Christian Drosten warf ihm daraufhin vor, Desinformation zu verbreiten, und erläuterte, was der in der Grafik dargestellte "Percentage change" seiner Meinung nach bedeute:

Sie verbreiten Desinformation. "Percentage change" bedeutet prozentuale Veränderung. 80 Prozent bedeutet: letzte Woche waren es 180 Fälle, vorletzte Woche 100. Exponentielles Wachstum gibt es bei jedem Wert über Prozent (für Diplom-Kaufmänner: "Zinseszins"). Bei 100 Prozent = exponentielles Wachstum zur Basis 2.

Der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg, der die Corona-Politik der Regierung bereits mehrfach heftig kritisiert hatte, warf Drosten dann richtigerweise darauf hin, dass ein exponentielles Wachstum nur dann vorliege, wenn die Wachstumsraten konstant sind:

Ach du liebe Güte. Exponentielles Wachstum heißt KONSTANTE Wachstumsrate. Bei SINKENDER Wachstumsrate liegt KEIN exponentielles Wachstum vor. Beispiel f(x) = x mit Wachstumsrate f'/f = 1/x. So viele Likes verdeutlichen die in dieser Ecke bestehende Mathematikkompetenz...

Hintergrund der Diskussion ist, dass das streng mathematisch definierte "exponentielle Wachstum" in der Natur so gut wie nie vorkommt, denn exponentielle Funktionen wachsen ins Unendliche. In der Praxis ist dies aber unrealistisch, da die entsprechenden Größen wie die Anzahl an Personen oft begrenzt sind. Da beispielsweise nur eine bestimmte Anzahl an Menschen auf dem Planeten lebt, kann sich ein Virus nicht mehr ausbreiten, wenn alle infiziert sind. Mit jedem Infizierten bleiben für die Viren also weniger "Ziele" übrig, weshalb die Wachstumsrate sinkt. Eine realistischere Beschreibung solcher Szenarien liefert daher beispielsweise eine sogenannte Sigmoidalfunktion, bei der die Zahlen erst steigen, bis die Kurve irgendwann abflacht.

Drosten jedenfalls blockierte daraufhin Homburg, wies ihn zuvor jedoch noch auf einen Beitrag hin, in dem die Berechnung des Zinseszinses anhand einer Formel erläutert wird. Homburg mutmaßte, dass er diesen "Azubistoff für Kaufleute" ausgegraben habe, um zu vertuschen, dass er jedes Wachstum für exponentiell halte.

Homburg erläuterte weiterhin, dass das, was von Drosten und Co. als "exponentielles Wachstum" verdeutlicht wurde, mathematisch gesehen ein "streng monotones Wachstum" sei, das auch bei Herz- und Krebserkrankungen vorliege. Kurioserweise wurde dieser rein mathematische Tweet nach Angaben Homburgs sofort als Regelverstoß gemeldet. Anschließend legte er in einem weiteren Tweet noch einmal nach und erklärte im Beitrag anhand einer Tabelle, worin sich eine Exponentialfunktion und eine Sigmiodalfunktion unterscheiden:

Laut Homburg ist dies auch kein reiner Streit um Worte, da uns das angebliche "exponentielle Wachstum" erneut im Lockdown hält.

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