In den letzten Tagen mehren sich die Wortmeldungen von Politikern für tiefere Einschnitte des Persönlichkeitsrechts im Kampf gegen das Corona-Virus. Als Maßnahme dabei sprach sich der Vorsitzende der CDU-Faktion in der Bremer Bürgschaft, Thomas Röwekamp, für die verpflichtende Nutzung der sogenannten Corona-Warn-App für alle Bürger aus. Die Vorsitzende der SPD-Faktion im Niedersächsischen Landtag, Johanne Modder, empfahl eine unmittelbare Koppelung der App an die Gesundheitsämter. Fragen des Datenschutzes werden von beiden Politikern der Pandemiebekämpfung untergeordnet.
Röwekamp forderte in einem Interview mit Radio Bremen ein Gesetz, das jeden Bürger verpflichtet, sich die Corona-Warn-App auf sein Handy zu laden. Auf den Datenschutz angesprochen, äußerte er Bedenken, dass die Sammlung von Daten "immer eine Missbrauchsgefahr beinhalte". Er warb um Vertrauen – "ehrlicherweise sammeln wir diese Daten ja nicht, um sie zu missbrauchen" – und empfahl "regelmäßige Löschungsvorschriften" und "eingeschränkte Nutzungsverwendung" der Daten.
Die Gesundheit gebietet zurzeit, dass wir uns alle einschränken, alle Rechte werden eingeschränkt, die Freiheitsrechte der Menschen werden eingeschränkt, Religionsfreiheit wird teilweise eingeschränkt, das Recht auf körperliche Unversehrtheit wird eingeschränkt, das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird eingeschränkt, die Demonstrationsfreiheit wird eingeschränkt. Wir reden über ganz viele Freiheitseinschränkungen, und ich finde, da kann man den Datenschutz nicht außenvorlassen.
Zur Einhaltung bedürfe es stärkerer Kontrollen. "Es ist mit Freiwilligkeit alleine nicht getan, deswegen müssen wir zu mehr Verbindlichkeit und Verlässlichkeit kommen." Zu diesem Zweck sollen "die Polizei und die Ordnungsbehörden sehr viel stärker kontrollieren und auch nachhaltiger Bußgelder aussprechen".
Nur Appelle helfen offensichtlich nicht weiter, immer nur an die Vernunft zu appellieren bringt nichts.
Unterstützung bekam Röwekamp von den zum Bertelsmann-Konzern gehörigen Fernsehsendern n-tv und RTL. Auf rtl.de schrieb Andreas Laukat, der Chef vom Dienst in der n-tv-Wirtschaftsredaktion: "Die Corona-Pflicht-App muss jetzt kommen!" Er sprach sich für einen "Plan D" aus: "D wie digitale Nachverfolgung der Kontakte."
Kein Mensch will einen digitalen Überwachungsstaat, aber weitere Lockdowns werden wir nicht mit Zettel, Stift und Telefon verhindern. Wir haben die technischen Möglichkeiten, entsprechende Lösungen umzusetzen. Im Zweifel müssen dafür auch Datenschutzregeln zeitweise außer Kraft gesetzt werden. Wer mit einem tödlichen Virus frei leben will, muss Unfreiheit hinnehmen. Das braucht aber den Mut von Politikern, das anzusprechen und umzusetzen. Es wird Zeit für Plan D!
Um den Nutzen der Corona-Warn-App für die Behörden zu erhöhen, schlägt Johanne Modder (SPD) vor, die App direkt an die Gesundheitsämter zu koppeln. Diese könnten dadurch "schneller" arbeiten. Positive Corona-Befunde sollten automatisch versendet werden – "es sei denn, der Betroffene widerspricht".
Dem Virologen Christian Drosten – bekannt aus zahlreichen Auftritten in staatlichen und privaten Medien in den letzten Monaten – geht die Forderung nach einer Corona-Pflicht-App nicht weit genug. Er empfiehlt zusätzlich die Nutzung einer Kontakttagebuch-App. Mit dieser könne das gesamte soziale Netzwerk einer Person erfasst werden.
Eine passende App dafür wird beispielsweise von focus.de vorgeschlagen. Auf chip.de wird bereits dafür geworben, die Kontaktdaten in "absehbarer Zeit in die Corona-Warn-App" zu implementieren.
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