Lockdown ohne Ende? Spahn warnt vor "Monaten der Einschränkungen und des Verzichts"

Ab heute gilt der zweite Lockdown des Jahres. Das öffentliche Leben wird für vier Wochen erneut heruntergefahren, während der Einzelhandel, die Schulen und Kitas im Gegenteil zum Frühjahr offen bleiben. Jens Spahn machte indessen deutlich, dass dies nicht das letzte Mal sein könnte.

Kurz vor dem Inkrafttreten des als "Lockdown light" bezeichneten Herunterfahrens des öffentlichen Lebens wollten viele Menschen noch ein letztes Mal die Freiheit auskosten und besuchten Bars, Restaurants und Kinos. Gewaltbereite junge Menschen in Frankfurt am Main und Darmstadt versammelten sich zu Hunderten und griffen Polizisten an. Touristen in Schleswig-Holstein kosteten das letzte Wochenende aus, bevor sie bis zum 2. November die Urlaubsorte verlassen mussten. 

Am Wochenende erreichte die Zahl von positiven Corona-Befunden auch jene magische Zahl von 19.000, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Hochrechnungen ihrer Berater noch vor wenigen Wochen erst für Weihnachten erwartet hatte. Bereits im Vorfeld hatten sie und ihr Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) das Freizeitverhalten der Bevölkerung als eine der Hauptursachen für die steigenden Zahlen identifiziert, weshalb den Menschen nun die Möglichkeit genommen werden soll, sich privat und in größerer Zahl zu treffen bzw. aufeinanderzutreffen. Wo und ob es überhaupt zu nennenswerten "Ausbrüchen" in bestimmten Bereichen des Freizeitangebots kam, ist hingegen weder geklärt noch bewiesen. 

Wie bereits im Frühjahr wurde nun erneut die Gefahr eines Zusammenbruchs des Gesundheitssystems als einer der Hauptgründe für die Entscheidung des Lockdowns genannt. Merkel sagte dazu:

Wir können sagen, dass unser Gesundheitssystem mit dieser Herausforderung heute noch fertig wird. Aber wenn es bei diesem Tempo der Infektionen bleibt, dann kommen wir binnen Wochen an die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems. Der Verband der Intensivmediziner zum Beispiel hat uns noch einmal auf die sich zuspitzende Situation hingewiesen. Deshalb ist vollkommen klar: Wir müssen handeln, und zwar jetzt.

Tatsächlich meldet das DIVI-Intensivregister eine stark gestiegene Anzahl von "intensivmedizinisch behandelter COVID-19-Fälle": Waren es am 1. Oktober noch 362 Patienten, stieg deren Zahl am 1. November auf 2.061. Davon müssen 1.086 Patienten beatmet werden. Die Gesamtzahl der belegten Intensivbetten, bewegt sich aber seit Juni auf einem konstanten Niveau, ohne dass diese Steigerung der COVID-19-Patienten bisher Auswirkungen auf die Intensivbetten gehabt hatte. 

Das hinderte die Kanzlerin aber nicht, an die "Vernunft und Solidarität" der Menschen zu appellieren. Sie sprach von einer "nationalen Kraftanstrengung" im November. Nur so könne das gelingen, was mit den Maßnahmen des ersten Lockdowns erreicht wurde. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wiederholte Merkels Forderung nach einer nationalen Kraftanstrengung im ZDF-heute-journal am Sonntag. Ohne staatliche Maßnahmen könne man die "Jahrhundertsituation" nicht in den Griff bekommen, meinte er weiter.

Spahn wollte auch nicht ausschließen, dass das öffentliche Leben nach diesen vier Wochen erneut in großen Teilen zum Stillstand kommen kann:

Wir können nicht ausschließen, dass es nicht irgendwann in Folge noch einmal dazu kommt.

Ähnlich äußerte sich auch Helge Braun bei Anne Will. Zwar gehe er davon aus, dass mit den gegenwärtigen Maßnahmen das "Infektionsgeschehen" deutlich gebremst wird, aber er "halte es nicht für wahrscheinlich, dass wir in zwei Wochen schon Maßnahmen lockern können". Was jetzt benötigt werde, sei derselbe Geist der Bevölkerung, wie noch im März, als das öffentliche Leben tatsächlich zum Stillstand gebracht wurde.

Dafür gibt es allerdings bisher wenige Anzeichen. Es gibt keine breitangelegte Werbekampagnen wie "Wir bleiben zu Hause", und auch die Akzeptanz der neuen Maßnahmen scheint nicht mehr so hoch zu sein wie noch im Frühjahr. 

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