von Arkadi Shtaev
Der Politiker Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen und der Bundestagsabgeordnete Dr. Alexander Neu von Die Linke verkörpern zwei sehr unterschiedliche Typen von Politikern. Während Volker Beck – wie viele Spitzenpolitiker seiner Partei – die Universität einst ohne Abschluss verließ, ist Alexander Neu ein promovierter Politikwissenschaftler. Und während Volker Beck sich für Gott und die Welt zuständig fühlt, bezeichnet sich Neu lieber als einen Fachpolitiker in den Bereichen Geo-, Sicherheits-, Verteidigungs- und Außenpolitik.
Es darf daher vielleicht nicht verwundern, dass diese unterschiedlichen Ansätze, Politik zu betreiben, auch einmal zueinander in Konflikt geraten.
In einer Mail, die er unter anderem über das Springer-Blatt Die Welt verbreiten ließ, fordert der Grünen-Politiker Volker Beck nun die Linkspartei dazu auf, ihren Bundestagsabgeordneten Alexander Neu aus der Fraktion auszuschließen. In der genannten Mail schreibt Beck:
Die Linksfraktion braucht keine linke Version von Beatrix von Storch. Schmeißt Neu raus!
Einmal davon abgesehen, dass Volker Beck vielleicht mit Beatrix von Storch mehr Gemeinsamkeiten hat, als ihm lieb ist – besonders in der NATO-Treue und transatlantischen Grundausrichtung –, während Alexander Neu als einer der profiliertesten Kritiker dieses Kriegsbündnisses gilt, wirkt es doch seltsam, anderen Parteien vorzuschreiben, aufgrund von Meinungsverschiedenheiten Mitglieder auszuschließen. Das hier offenbarte Demokratieverständnis ist sicherlich noch ausbaufähig.
Aber worum geht es eigentlich?
In einem Interview mit dem Internetportal Freiheitsliebe hatte sich Alexander Neu kritisch über die westliche Politik im Allgemeinen gegenüber Russland geäußert.
Wir lehnen die Doppelstandards gegenüber Russland ab“, erklärte Neu in dem Interview.
Vordergründig basiert Becks Aufregung aber nicht auf dieser Äußerung, sondern auf einer Passage in dem Interview, in der Neu zu der Situation von sexuellen Minderheiten in Russland befragt wurde. Diesbezüglich sagte Neu korrekterweise, das Thema der Homophobie in Russland werde in der deutschen Politik gern instrumentalisiert. Den Kritikern gehe es darum, jenes Land vorzuführen und zugleich als "kulturell minderwertig" darzustellen.
Um Homophobie zu kritisieren, muss man nicht unbedingt nur nach Russland schauen. Da reichen auch Blicke in die deutsche Provinz oder in andere osteuropäische Staaten.
Diese Thesen haben Volker Beck anscheinend dermaßen verärgert, dass er nicht nur den Rauswurf von Neu fordert und den schrägen Vergleich mit Beatrix von Storch hinzufügte, sondern dem Bundestagsabgeordneten auch noch eine "putinophile Ideologie" unterstellt. Das Wortungetüm "putinophil" ist nicht zu verwechseln mit "pädophil", also dem sexuellen Interesse an Kindern, einer krankhaften Neigung, über die Beck noch im Jahre 1988 in einem Buch schrieb:
Eine Entkriminalisierung der Pädosexualität ist angesichts des jetzigen Zustandes ihrer globalen Kriminalisierung dringend erforderlich.
Der Spiegel stellte 25 Jahre später in diesem Zusammenhang 2013 fest:
In der Pädophilie-Debatte gerät jetzt auch der Grüne Volker Beck unter Druck: Ein umstrittener Text des Fraktionsgeschäftsführers von 1988 über Sex zwischen Kindern und Erwachsenen ist nach SPIEGEL-Recherchen doch nicht vom Herausgeber inhaltlich verfälscht worden. Beck aber hatte das stets behauptet.
Nein, unter einer "putinophilen Ideologie" versteht Beck anscheinend – oder möchte es so verstanden wissen –, dass Alexander Neu ein blinder Gefolgsmann des russischen Präsidenten sei, also die höchste Form eines "Putin-Verstehers" – wie westliche Medien und Politiker unisono Zeitgenossen titulierten, die ein etwas differenzierteres Russland-Bild vertreten.
Wie allerdings Dr. Alexander Neu den russischen Präsidenten beurteilt, auch die Situation der sexuellen Minderheiten in dem größten Flächenstaat der Erde, hatte er stets unmissverständlich geäußert. So konstatiert Dr. Alexander Neu auch in diesem Interview mit Impulsiv TV:
Über das Konstrukt NATO kontrolliert Washington Gesamteuropa!
Volker Beck, der sich gerne als moralische Instanz inszeniert (wobei diese Inszenierung bisweilen einer Schmierenkomödie glich, inklusive seines Erwerbs harter Drogen), hätte umgekehrt schon längst aus seiner Partei hinausgeschmissen gehört.
Wie hinsichtlich seiner Äußerungen zu Pädophilie, reagiert Beck auch zu seinen Drogen-Geschichten sehr einsilbig, während er sich moralisch über Äußerungen anderer entrüstet, deren Komplexität er anscheinend nicht erfassen kann. Als Sprachrohr für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transsexuellen, die heute unter dem kollektiven Sammelbegriff LGBT (unter völliger Vernachlässigung jeglicher Individualität) zusammengefasst werden, ist Beck keineswegs berufen, schon gar nicht weltweit. Zu der Situation von sexuellen Minderheiten in Saudi-Arabien war von Volker Beck eher sehr wenig zu hören oder zu lesen – vielleicht auch, weil sein damaliger Lebensgefährte dort beruflich engagiert war.
Aber wie heißt es doch in der Dreigroschen-Oper von Brecht?
Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man brav leben
Und Sünd und Missetat vermeiden kann
Zuerst müßt ihr uns was zu fressen geben
Dann könnt ihr reden: damit fängt es an.Ihr, die euren Wanst und unsre Bravheit liebt
Das eine wisset ein für allemal:
Wie ihr es immer dreht und wie ihr's immer schiebt
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.Erst muß es möglich sein auch armen Leuten
Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden.
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