Die Natur in Europa ist bedroht. Intensive Land- und Forstwirtschaft verdrängen viele Tier- und Pflanzenarten. Eine Ausbreitung der Siedlungsgebiete zerstört spezielle Lebensräume wie Dünenlandschaften und felsige Gebiete. Und Umweltverschmutzung tut ihr Übriges. Dadurch geht die biologische Vielfalt weiter drastisch zurück, wie ein im Oktober in Kopenhagen vorgestellter Bericht der EU-Umweltagentur EEA zeigt.
Aus Sicht der EEA müssen Naturschutzgebiete besser verwaltet werden, weil sonst die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 verfehlt werden. Die EU-Staaten hatten sich selbst verpflichtet, bis 2015 das Management für 60 Prozent ihrer Natura-2000-Schutzgebiete zu prüfen. Tatsächlich gibt es der EEA zufolge aber nur Bewertungen für weniger als acht Prozent.
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Laut EEA-Generaldirektor Hans Bruyninckx zeigt die Beurteilung, dass der Schutz der Gesundheit und Widerstandsfähigkeit der Natur in Europa sowie das Wohlergehen der Menschen fundamentale Veränderungen erfordere.
Es müsse sich grundlegend etwas daran ändern, wie Lebensmittel hergestellt und konsumiert, Wälder verwaltet und genutzt sowie Städte gebaut werden. Diese Bemühungen müssten unter anderem mit einer besseren Um- und Durchsetzung des Naturschutzes und zunehmend ambitionierteren Klimaschutzmaßnahmen vor allem im Transport- und Energiewesen einhergehen.
Der Bericht ist nach EEA-Angaben die umfassendste Datensammlung, die jemals in Europa zum Zustand der Natur unternommen wurde. Er umfasst den Zeitraum 2013 bis 2018 und basiert auf Angaben der EU-Länder zum Arten- und Lebensraumschutz in ihren Gebieten. EU-Kommission und EEA erstellen daraus dann ein großes Gesamtbild.
Deutschland habe wie andere EU-Staaten mehr Naturräume und Arten in mangelhafter bis schlechter als in guter Verfassung gemeldet, sagte EEA-Experte Carlos De Oliveira Romao.
Die EU-Staaten sind aufgerufen, Vogelschutzgebiete und sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Areale (FFH) auszuweisen und Pläne für deren Erhalt vorzulegen. Diese sollen im Rahmen des europäischen Netzwerks Natura 2000 miteinander vernetzt werden. Insgesamt stehen rund 18 Prozent der Land- und Meeresfläche der EU unter Schutz – das entspricht mehr als 27.000 FFH- und Vogelschutzgebieten. In Deutschland gibt es nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz von 2019 insgesamt 5.200 Schutzgebiete.
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Beispielsweise sind große Teil der Nord- und Ostseeküste als FFH- und Vogelschutzgebiet ausgewiesen, auch ein fast 300 Quadratkilometer großer Teil des Fehmarnbelts, der Wasserstraße zwischen Deutschland und Dänemark, ist offiziell Naturschutzgebiet.
Dennoch wurden dort mitten im Sommer, wenn streng geschützte Arten sich bekanntermaßen in dem Gebiet aufhalten, im Rahmen eines NATO-Manövers fast 40 Sprengungen von Altmunition durchgeführt, ohne die zuständigen Behörden einzubeziehen oder auch die geringsten, der Bundeswehr bekannten Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dadurch sind mitten im Meeresschutzgebiet zahlreiche Tiere umgekommen, darunter mehrere streng geschützte Schweinswale. Laut dem Naturschutzbund NABU droht eine erhebliche Umweltbelastung durch die massive Freisetzung von TNT und weiteren Reaktionsprodukten, wodurch auch Lebensmittel aus der Umgebung beeinträchtigt sein könnten. Weiterhin ist seit Jahren das umstrittene Bauprojekt eines Tunnels durch den Fehmarnbelt zwischen Deutschland und Dänemark in Planung.
Der 18 Kilometer lange Tunnel soll Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf Lolland verbinden. Durch die Rinne im Meeresboden sollen sowohl Autos als auch Züge fahren, was laut den Befürwortern die Fahrzeiten und -wege erheblich verkürzen würde. Jedoch gibt es zahlreiche Kritiker, die dem widersprechen, einige von ihnen klagten gegen den Bau. Eine Entscheidung darüber will das Bundesverwaltungsgericht am 3. November verkünden.
Das Bündnis "Beltretter", eine Gruppe aus Kommunen, Organisationen, Unternehmen, Parteien, Anwohnern und Einzelpersonen wie der Extremsportler Ole Sporleder, bezeichnet das Tunnelprojekt als "wohl größte Bau- und Umweltsünde Nordeuropas". Mit Verweis auch auf die Gefahren durch die Altmunition in dem Gebiet protestieren sie seit mehr als 25 Jahren gegen das Projekt, das ursprünglich als Brücke geplant war. Wie die Kläger sehen sie gravierende Auswirkungen auf das Meeresschutzgebiet Fehmarnbelt, und sie bezweifeln grundsätzlich den Verkehrsbedarf des Milliardenprojekts, dessen Kosten zu explodieren drohen. Fährunternehmen fürchten den Verlust von Arbeitsplätzen.
Vor allem aber verweisen die Kritiker auf Artikel 22 des deutsch-dänischen Staatsvertrages zur Festen Fehmarnbeltquerung. Darin heißt es: "Sollten die Voraussetzungen für das Projekt oder Teile des Projekts sich deutlich anders entwickeln als angenommen und anders, als es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags bekannt ist, werden die Vertragsstaaten die Lage aufs Neue erörtern. Dies gilt unter anderem für wesentliche Kostensteigerungen im Zusammenhang mit dem Projekt."
Das jedoch passiere nicht, was laut den Initiatoren einer Petition gegen das Projekt zeigt:
Die Politik hat aus Stuttgart 21 und BER offenbar nichts gelernt und rennt erneut blindlings ins Desaster.
Deutschland gibt sich als umweltbewusst und wird im Ausland oft auch so gesehen. Doch aktuell schwelt ein Streit mit Brüssel vor dem Hintergrund mangelhafter Einhaltung von Naturschutzverpflichtungen.
Die EU-Kommission droht Berlin deshalb mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Brüsseler Behörde setzte der Bundesregierung am Freitag eine Frist von zwei Monaten, die Missstände zu beheben.
Aus Sicht der Kommission missachtet Deutschland seine Pflichten zur Bewahrung von Wiesen in sogenannten Natura-2000-Gebieten sowohl im Flachland als auch in den Bergen. Diese Wiesen seien ein wichtiger Lebensraum für Bestäuber wie Bienen und Schmetterlinge. Vor allem wegen nicht nachhaltiger Landwirtschaft seien solche Wiesen in mehreren Schutzgebieten in den vergangenen Jahren kleiner geworden oder ganz verschwunden, erklärte die EU-Kommission. Deutschland gewähre diesen Gebieten auch nicht genug rechtlichen Schutz.
"Deutschland hat jetzt zwei Monate, um passende Maßnahmen zu ergreifen, ansonsten kann die Kommission entscheiden, den Fall an den Europäischen Gerichtshof zu verweisen", hieß es aus Brüssel.
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