Nach den Beratungen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den sechzehn Länderchefs traten die Kanzlerin, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor die Kameras. Ungeachtet der jüngst verstärkt vorgetragenen Warnungen namhafter Mediziner und aus Wirtschaftskreisen verkündeten sie, dass es ab dem kommenden Montag erneut einen bundesweiten Lockdown geben werde.
Dieser sieht die Schließung gastronomischer Einrichtungen – mit Ausnahme von Kantinen und Lieferdiensten – vor. Auch Theater, Oper- und Konzerthäuser sollen ebenso geschlossen bleiben wie Angebote des Freizeit- und Amateursports. Schließen müssen zudem Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe. Handel, Schulen und Kindergärten bleiben jedoch geöffnet. Einrichtungen für medizinisch notwendige Behandlungen wie Physio-, Ergo- und Logotherapien sowie Fußpflege-Studios und Friseursalons dürfen ebenso weiter geöffnet bleiben.
Wo immer möglich, seien Unternehmen ansonsten angehalten, Heimarbeit zu ermöglichen. Touristische Reisen werden gänzlich untersagt, gewerbliche Übernachtungsangebote dürfen nur noch für zwingende Dienstreisen in Anspruch genommen werden. Der gemeinsame Aufenthalt in der Öffentlichkeit wird nur noch Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes – jedoch insgesamt maximal zehn Personen – gestattet sein. Darüber hinausgehende Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen, aber auch in Wohnungen sowie anderen privaten Einrichtungen gelten als inakzeptabel.
Man wolle zudem die Gesundheitsämter aufstocken, um Kontakte wieder nachvollziehbar zu machen. Dafür solle auch die Bundeswehr unterstützen. Generell sei vorgesehen, nach vier Wochen die Situation zu prüfen. Auf die Nachfrage, woran man dann festmachen werde, ob der Lockdown gelockert werden könne bzw. welche Maßnahmen zu ergreifen seien, reagierte Merkel eher ausweichend. Allerdings, so die Kanzlerin, müsse man generell "gegenüber Gerichten evident nachweisen" können, das "Handlungsnotwendigkeit" bestehe.
Die Frage, ob die Gastronomie wirklich als "Corona-Treiber" angesehen werde kann, beantwortete die Kanzlerin eher allgemein. Es müsse jetzt darum gehen, etwa 75 Prozent der Kontakte zu reduzieren, so Merkel. Daher sei man auch in den Freizeit- und Reisebereich gegangen. Gottesdienste sollen im Übrigen weiter möglich sein. Hier seien keine Verschärfungen vorgesehen, jedoch müssen die Hygieneregeln unbedingt eingehalten werden.
Verschiedene Berufsverbände äußerten starke Kritik an diesen Maßnahmen. Die für die betroffenen Unternehmen zu erwartenden harten Einschnitte wolle die Bundesregierung mit einer "außerordentlichen Wirtschaftshilfe" in Höhe von rund zehn Mrd. Euro unterstützen. Der Erstattungsbetrag betrage bis zu 75 Prozent für Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern. Für größere Unternehmen müsse man "entsprechend der maximal möglichen europarechtlichen Beihilferegelung" unterstützen. Die Details für die Hilfsmaßnahmen sollen noch in dieser Woche durch die zuständigen Fachminister Olaf Scholz (SPD) und Peter Altmaier (CDU) vorgestellt werden.
Söder bezeichnete das Hilfsprogramm als ein "sehr gutes, einmaliges Programm", das "außerordentlich großzügig" sei. Es gelte zudem nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Einrichtungen und Einzelselbstständige und sei insgesamt ein ganz anderes Wirtschaftshilfsangebot als im Frühjahr. Auf die Frage, welche Vorlaufzeit benötigt werde, um die Gelder auszuzahlen, erwiderte Müller (SPD): "Das wird schon ein paar Tage dauern."
Thüringen stimmte den massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens unterdessen nur bedingt zu. Das Land trage nur "diejenigen Maßnahmen mit, die für eine wirksame Eindämmung des Infektionsgeschehens durch wissenschaftliche Erkenntnisse geeignet und verhältnismäßig" seien, wie es in einer Protokollerklärung zu den Beschlüssen heißt. Es gebe zwar "keine Verweigerung Thüringens", so Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), jedoch werde er die Beschlüsse dem Thüringer Landtag und seinem Kabinett zur Bestätigung vorlegen.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Prof. Dr. Karl Lauterbach bezeichnete die Beschlüsse von heute auf Twitter als einen "großen Erfolg und Meilenstein gegen das Coronavirus in Deutschland." Mit dem "Wellenbrecher-Shutdown" werde man die "zweite Welle der Pandemie brechen und aus dem exponentiellen Wachstum herauskommen". Die AfD reagierte indes empört. Es sei alles "völlig überzogen", so die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel. Man müsse stattdessen "lernen, mit Corona zu leben". Co-Fraktionschef Alexander Gauland kritisierte, dass die Beschlüsse erneut in einer Runde der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten fielen. "Wir haben inzwischen eine Art Kriegskabinett", so Gauland. Er habe das Gefühl, der Bundestag sei nur noch dazu da, um "das gefälligst abzunicken".
(dpa/rt)
Mehr zum Thema - SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert jetzt Corona-Kontrollen in privaten Wohnräumen