Bundesregierung: Deutsche Geheimdienste dürfen künftig private WhatsApp-Chats mitlesen

Nach langem Tauziehen wird die Bundesregierung die Befugnisse der Geheimdienste im Kampf gegen Extremismus ausweiten. Am Mittwoch beriet das Kabinett über die Überwachung privater Kommunikation auf WhatsApp und anderen verschlüsselten Messenger-Diensten.

Der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst (MAD) sollen künftig nicht nur laufende Gespräche via Messenger belauschen dürfen, sondern auch per Messenger versendete Botschaften mitlesen können. Voraussetzung für die sogenannte Quellen-TKÜ ist in jedem Fall eine entsprechende Anordnung. Um die Kontrolle solcher Maßnahmen zu verbessern, wird die Zahl der Mitglieder der für ihre Genehmigung zuständigen G10-Kommission des Bundestages erhöht. Darauf hatte zuvor besonders die SPD bestanden. Außerdem soll der Kommission ein technischer Berater an die Seite gestellt werden.

Von den Bundestagsfraktionen wurde das Vorhaben mit unterschiedlichen Reaktionen aufgenommen. So kritisierte die FDP den Vorstoß als Ausverkauf der Bürgerrechte und bezeichnete die geplante Anwendung der Quellen-TKÜ als einen massiven Grundrechtseingriff. Stephan Thomae, FDP-Vizefraktionschef, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa:

Dass nun auch die Nachrichtendienste den Staatstrojaner einsetzen dürfen sollen, gleicht einem Ausverkauf der Bürgerrechte. Es überrascht sehr, dass Bundesjustizministerin Lambrecht als Verfassungsministerin diesen Schritt hin zum gläsernen Bürger als Ideal konservativer Sicherheitspolitik mitgeht.

Die Union hingegen hatte lange auf die Regelung gedrungen. Mathias Middelberg, innenpolitischer Fraktionssprecher der CDU, rechtfertigte die Initiative:

Es ist gut und wichtig, dass die Anpassung des Verfassungsschutzgesetzes nun endlich auf den Weg gegeben wird.

Middelberg ist der Meinung, der Inlandsgeheimdienst könne im digitalen Zeitalter nur unter diesen Bedingungen seine Rolle als Frühwarnsystem weiter ausüben.

Der Entwurf aus dem Bundesinnenministerium sieht außerdem einen erweiterten Austausch von Informationen zwischen dem MAD und den Verfassungsschutzbehörden vor. Auch werden die Hürden für die Beobachtung von Einzelpersonen durch den Verfassungsschutz gesenkt. Damit zieht die Bundesregierung Konsequenzen aus den rechtsextrem motivierten Terroranschlägen in Halle und Hanau. Beide Anschläge waren von Tätern verübt worden, die nach bisherigen Erkenntnissen keiner Gruppierung angehörten.

Das Vertrauen der Bürger in den Verfassungsschutz ist einer SWR-Umfrage zufolge nur mittelmäßig bis unterdurchschnittlich ausgeprägt. Von 1.004 von Infratest-Dimap befragten Personen gaben 51 Prozent an, dem im Inland zuständigen Verfassungsschutz sehr großes oder großes Vertrauen entgegenzubringen. Dem im Ausland tätigen Bundesnachrichtendienst bringen nur 38 Prozent der Befragten ein solches Vertrauen entgegen. Wenig oder kein Vertrauen haben 43 beziehungsweise 49 Prozent der Befragten. Das mit Abstand geringste Vertrauen in diese Dienste herrscht unter AfD-Anhängern, aber auch bei Wählern der Partei Die Linke ist das Vertrauen eher karg.

Andere, ebenfalls abgefragte Institutionen wie die Polizei (79 Prozent) oder die Gerichte (65 Prozent) genießen bei den Menschen mehr Vertrauen. Politische Parteien schnitten mit 30 Prozent Vertrauenswürdigkeit noch schwächer als die Geheimdienste ab. Zugleich befanden 56 Prozent der Befragten, der Verfassungsschutz kümmere sich zu wenig um den Rechtsextremismus, und 47 Prozent sind der Meinung, der Dienst unternehme zu wenig gegen den Linksextremismus.

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(rt/dpa)