Erstmals seit Juni kommen die Bundesregierung und die Länder in einer Präsenzkonferenz zusammen, um sich über die Corona-Lage zu beraten. Die Notwendigkeit physischer Anwesenheit wurde von Kanzleramtschef Helge Braun mit der Notwendigkeit einer Debatte über die "dramatische Infektionslage" in Deutschland begründet, die "historische Dimensionen" haben könnte.
Vor Beginn der Konferenz hatte sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) noch dafür ausgesprochen, den Corona-Grenzwert zu hinterfragen. Man brauche eine Überprüfung, "ob die Zahl 50 auf 100.000 Einwohner richtig ist". Dieser Grenzwert von 50 positiv auf das Coronavirus getesteten Personen pro 100.000 Einwohner legt fest, ob eine Region als sogenanntes "Risikogebiet" gilt oder nicht.
Derzeit sieht es jedoch nicht danach aus, dass dieser Grenzwert erhöht wird: In einem der dpa vorliegenden Entwurf für die Beschlussvorlage der Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ländern heißt es, dass man bereits Einschränkungen plane, wenn die Zahl der mutmaßlichen "Neuinfektionen" 35 pro 100.000 Einwohner in einer Region innerhalb einer Woche überschreite. Ab dem neuen Grenzwert wolle man eine "ergänzende Maskenpflicht" und eine Sperrstunde in der Gastronomie einführen.
Die Maskenpflicht solle an jenen Orten gelten, an denen Menschen "dichter oder länger" zusammenkommen. Bars, Kneipen und Clubs sollen in solchen Fällen geschlossen werden. Zudem plädiert der Bund dafür, die Zahl der Teilnehmer bei privaten Feiern und auch bei öffentlichen Veranstaltungen zu begrenzen. Wann die Sperrstunde in der Gastronomie beginnen soll und wie viele Personen auf privaten Feiern erlaubt sind, wird jedoch offen gelassen.
Weiter heißt es in dem Entwurf, dass die Bundesregierung die Hilfsmaßnahmen für die von der Corona-Krise in besonderem Maße betroffenen Branchen verbessern wolle. Man rechne damit, dass aufgrund der geplanten Einschränkungen einige Bereiche erhebliche Einschränkungen ihres Geschäftsbetriebes hinnehmen müssen.
Rechtsanwalt zum Beherbergungsverbot: "Massive Grundrechtseingriffe"
Regeln zum umstrittenen Beherbergungsverbot gibt es in dem Entwurf ebenfalls nicht. Doch bereits jetzt ist in vielen Bundesländern für Personen, die aus "Risikogebieten" innerhalb Deutschlands kommen, nicht erlaubt, in Hotels oder Pensionen zu übernachten – es sei denn, sie legen einen aktuellen, negativen Corona-Test vor. In zahlreichen Bundesländern hatte das Verbot für Diskussionen gesorgt.
Rechtsanwalt Dr. Heinze aus Berlin erklärte gegenüber RT Deutsch, dass er die Corona-Verordnungen der Bundesländer wie das Beherbergungsverbot für grundsätzlich verfassungswidrig halte. Dabei gehe es nicht einmal darum, ob die Maßnahmen gerechtfertigt seien, sondern vielmehr um deren Umsetzung:
Die Verordnungsermächtigung ist im Infektionsschutzgesetz nicht hinreichend bestimmt, um derart massive Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen. Letztlich werden die Gesetzgebungskompetenzen der Bundesländer in verfassungswidriger Weise ausgehebelt.
Heinze erklärte ferner, dass der Gesetzgeber derart Wesentliches selbst regeln müsste. Normalerweise hätten die Parlamente der Länder und des Bundes tätig werden müssen, anstatt der Exekutive erhebliche Grundrechtseingriffe zuzugestehen. Doch auch sonst sei das sogenannte Beherbergungsverbot unverhältnismäßig:
Unabhängig davon sind die Regelungen zu Beherbergungsverboten unverhältnismäßig und bereits deshalb verfassungswidrig.
Der Anwalt geht weiterhin davon aus, dass Eilverfahren und Klagen der Hotelbranche zum Erfolg führen dürften – zumindest theoretisch:
Ob die Gerichte mutig genug sein werden, sich der Politik entgegenzustellen, wird sich zeigen, denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Richter und Richterinnen auch von den Justizministerien abhängig sind.
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