Die Stadt Stuttgart mobilisiert zur Verfolgung von Kontaktpersonen im Zuge der Corona-Pandemie die ganze Stadtverwaltung. Zudem erbittet sie die Hilfe der Bundeswehr, wie Stefan Ehehalt, Leiter des Stuttgarter Gesundheitsamts, am Sonntag mitteilte. "Die Zahlen steigen auf besorgniserregende Weise an, und zwar so stark, dass das Gesundheitsamt die für die Kontrolle der Pandemie so wichtige Kontaktpersonennachverfolgung nicht mehr gewährleisten kann", so Ehehalt. Zuvor war in der Landeshauptstadt die Warnstufe von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen überschritten worden ist, der Wert war am Samstagabend auf 50,5 gestiegen.
Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) sagte nach einer Telefonkonferenz zur Lagebesprechung: "Wir müssen jetzt entschieden handeln, um die Zahl der Neuinfektionen sofort wieder runter zu bekommen. Nur so können wir Schulen, Kitas, Wirtschaft und Handel offen halten. Nur so kann es gelingen, dass wieder alle Fälle durch das Gesundheitsamt nachvollzogen werden können."
Bereits bei einem Grenzwert von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern sollen Experten vom Robert Koch-Institut und von der Bundeswehr den Städten beratend zur Seite stehen, hieß es am Freitag nach einem Treffen zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Bürgermeistern der elf größten Metropolen.
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Das Verteidigungsministerium hält ein "Corona-Kontingent" von rund 15.000 Soldaten verfügbar. Zur Unterstützung der Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung von Kontakten positiv Getesteter und bei der Entnahme von Abstrichen leisten Bundeswehr-Soldaten bereits vielerorts Amtshilfe. In Bayern beispielsweise unterstützen Militärmusiker des Gebirgsmusikkorps der Streitkräftebasis als Containment Scouts das Münchner Gesundheitsreferat.
In Berlin sind bereits 60 Soldaten im Einsatz, weitere 180 Soldaten sollen folgen, um die Ämter zu entlasten. Der grün-rot-rot geführte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat sich jedoch wiederholt gegen den Einsatz von Soldaten in seinem Gesundheitsamt ausgesprochen.
Bevor man die Bundeswehr zur Amtshilfe bestellt, müssten alle anderen Möglichkeiten geprüft werden, um das Personal in den Gesundheitsämtern zu verstärken, erklärte Katina Schubert, Vorsitzende des Berliner Landesverbandes der Linken in der Welt.
Wir halten die Trennung von Zivilem und Militärischem für extrem wichtig", so Schubert.
Beispielsweise gebe es "eine Menge gut ausgebildeter Menschen, die gerade bei Galeria Kaufhof ihren Job verloren haben. Diese Personen können sehr gut mit Menschen umgehen und wären sehr gut in der Lage, Kontaktnachverfolgungsgespräche zu führen – besser auf jeden Fall als Soldaten, die keinerlei Ausbildung in dieser Richtung haben."
Dass Friedrichshain-Kreuzberg Bundeswehr-Hilfe ablehnt, quittierte die Berliner Morgenpost am Wochenende mit einem strafenden Kommentar:
Faszinierend, was sich die vielen vernunftbegabten Bürger in Friedrichshain-Kreuzberg von ihrer Bezirksregierung alles bieten lassen. Beim Kampf gegen den unrühmlichen Titel eines "Hotspots" handelt es sich ja nicht um Sponti-Folklore, sondern um den Ernst des Lebens. Es geht doch nicht darum, dass die Bundeswehr im Görlitzer Park einmarschiert, sondern einem in Teilen dysfunktionalen Bezirk beim Seuchenbekämpfen zu helfen.
Das Trotzverhalten sei verantwortungslos gegenüber allen Menschen, die jeden Tag um Virus-Patienten kämpfen, (...) gegenüber Älteren und Risikopatienten im Kiez, (...) gegenüber "Eltern, die keinen Bock auf eine nächste Runde aus Homeoffice/Homeschooling haben" und gegenüber allen Ladenbetreibern und Menschen in Kurzarbeit.
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