Ungeachtet der täglichen Botschaften zu den besten Sendezeiten, die steigende Fallzahlen oder den Beginn einer "zweiten Welle" verkünden, mehren sich die Stimmen, die sich aus der Deckung wagen und den offiziellen Verlautbarungen mit Kritik begegnen. Zahlen werden hinterfragt, Vergleiche angestellt und Zusammenhänge untersucht. Die Erkenntnis bricht sich ganz vorsichtig Bahn, dass Corona eben nicht das Killervirus ist, als welches es von den allseits bekannten Protagonisten in Politik und Medien verkauft wird. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Regierungsmaßnahmen rücken dagegen stärker in den Vordergrund, ebenso auch die psychologischen.
Und dabei hat sich bereits noch etwas verändert. Denn es sind zunehmend Leute "vom Fach" dabei. Oder Menschen in gesellschaftlichen Positionen oder einfach Personen mit solchen Namen, die man schon mal irgendwo gehört hat. Einer von ihnen ist Dr. Friedrich Pürner, seines Zeichens Leiter des Gesundheitsamtes im bayerischen Landkreis Aichach-Friedberg. In dieser Funktion ist er eigentlich dafür zuständig, über die Einhaltung der Hygienezustände in Alters- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und Schulen zu wachen. Mit dem Regierungskurs in Sachen Corona hadert er schon lange und kommuniziert dies auch regelmäßig auf Twitter.
Pürner, der von sich selbst sagt, er sei "weder Impfgegner noch rechtsradikal", kritisiert dabei auch seinen obersten Dienstherrn Markus Söder. So wendet sich der Gesundheitsamtsleiter beispielsweise gegen die Maskenpflicht in Schulen. Söder hatte auf dem virtuellen CSU-Parteitag erklärt:
Gerade nach der Urlaubszeit war es wichtig, mit der Maske im Unterricht das Risiko fundamental zu reduzieren, damit nicht viele Schulen wieder geschlossen werden.
Doch nach Auffassung Pürners spielen Reiserückkehrer nur eine untergeordnete Rolle. "Verreisen Sie ruhig, beachten Sie dabei nur die allgemeinen Hygieneregeln. Gute Erholung.", empfiehlt er auf Twitter.
Und Schulkinder sollten in den Pausen rausgehen und miteinander spielen dürfen. Ohnehin träfen sich die Kinder ja nach der Schule auch privat ohne Maske. Für Pürner dürften – unausgesprochen – auch noch weitere Überlegungen eine Rolle spielen. So sagte etwa der Facharzt für Mikrobiologie Dr. Sucharit Bhakdi kürzlich in einem Gespräch mit dem Epidemiologen Dr. Ulrich Mansmann bei der Deutschen Welle:
Ich kenne keine Studie, die einen Nutzen dieser Masken wirklich belegt. Ich kenne aber sehr viele Studien, die die gesundheitsschädlichen Wirkungen von Masken bei insbesondere Kindern [belegen]. Ich kann nichts finden, was die Maske rechtfertigt. Insbesondere bei den Kindern denke ich, dass das eine Misshandlung ist. Das muss aufhören.
Vor allem aber warnt Pürner davor, sich auf die sogenannten Infektionszahlen zu fokussieren. Diese seien kein zuverlässiger Indikator, da es sich dabei nicht um tatsächlich Erkrankte handelt. In diesem Zusammenhang kritisiert er auch die mittlerweile auf breiter Basis – und damit nahezu ausschließlich an Gesunden – durchgeführten PCR-Tests. Im politisch-medialen Mainstream wird bislang allein mit steigenden Zahlen angeblich "Infizierter" gearbeitet, die jedoch im Wesentlichen auf die Erhöhung der Anzahl der Testungen zurückzuführen sind. Der Grenzwert von 50 "Neuinfizierten" auf 100.000 Einwohner, den auch die bayerische Staatsregierung als Rechtfertigung für die Verschärfung von Corona-Maßnahmen heranzieht, ist somit sachlich nicht begründbar.
Der Amtsleiter empfiehlt stattdessen, zum Sentinel-Praxen-System überzugehen, was bereits für Grippefälle praktiziert wird. Das bedeutet, dass eine festgelegte Zahl von Arztpraxen (beim Grippe-Sentinel sind es aktuell 100) regelmäßig Proben von Patienten mit akuten Atemwegserkrankungen einsenden. Diese werden dann auf verschiedene Erreger – darunter auch SARS-CoV-2 (also das aktuelle Coronavirus) – untersucht. Der Unterschied: Der Fokus liegt hier auf den tatsächlich Erkrankten. Und es lässt sich feststellen, bei wie vielen Personen die Erkrankung auf SARS-CoV-2 zurückgeht. Nach dem Influenza-Monatsbericht des RKI war dies in den diesjährigen Kalenderwochen (KW) 34 bis 39 (also vom 17. August bis zum 20. September) kein einziger Fall, in der darauffolgenden KW 39 lediglich einer.
Wie der Bayerische Rundfunk berichtete, wolle Pürner trotz seiner Kritik an den Maßnahmen diese aber umsetzen. Er sei allerdings von Vorgesetzten darauf hingewiesen worden, den Titel "Leiter des Gesundheitsamtes" aus seinem Twitter-Profil zu entfernen und sei dem auch nachgekommen. Die Grünen im Landkreis halten ihn jedoch schon für "nicht mehr tragbar". Pürner selbst fürchtet aber bislang keine negativen Konsequenzen für sich. Er glaube an "Meinungsfreiheit und Demokratie", so der Mediziner gegenüber dem BR.
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