Jugendarmut in Deutschland: Verband befürchtet Verschlimmerung durch Corona-Krise

Rund ein Viertel aller Armutsgefährdeten in Deutschland ist jünger als 25 Jahre. Mangelnde digitale Teilhabe hänge arme Jugendliche in der schulischen Bildung weiter ab, so die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit in ihrem neuesten Bericht.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit befürchtet eine Verschärfung von Jugendarmut durch die Corona-Krise. Mangelnde digitale Teilhabe hänge arme Jugendliche in der schulischen Bildung weiter ab, womit eine gute Berufsausbildung in noch weitere Ferne rücke, teilte die Arbeitsgemeinschaft anlässlich der Veröffentlichung ihres "Monitors Jugendarmut in Deutschland 2020" mit.

In dem Bericht wurden vorliegende Daten etwa des Statistischen Bundesamtes und der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet. Alle zwei Jahre werden Fakten zur Situation benachteiligter junger Menschen zwischen 14 und 27 Jahren vorgestellt. Ziel des Monitors ist es, die Anliegen benachteiligter Jugendlicher stärker in den Fokus zu rücken.

3,2 Millionen Kinder und Jugendliche betroffen

Rund ein Viertel aller Armutsgefährdeten in Deutschland sei jünger als 25 Jahre. Betroffen sind demnach rund 3,2 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. "Jugendarmut beschneidet die Entwicklungs- und Teilhabechancen junger Menschen erheblich und oft dauerhaft. Betroffene starten unter deutlich schlechteren Bedingungen in ihre Selbstständigkeit als finanziell besser abgesicherte junge Menschen", heißt es in einer Mitteilung zum Bericht. Corona verschärfe diese Ungleichheit. Die Arbeitsgemeinschaft verwies zudem auf einen Anstieg der Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen in der Corona-Krise: Im April 2020 waren bereits 13.540 junge Menschen mehr arbeitslos und im Hartz IV-Bezug als im Vorjahr. 

Armut wird in Deutschland über das Haushaltseinkommen und die daraus folgenden Möglichkeiten an gesellschaftlicher Teilhabe definiert. Die Armutsgefährdungsquote gibt den Anteil der Bevölkerung an, der mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen muss. Laut Statistischem Bundesamt waren 2019 15,9 Prozent der Bürger von Armut bedroht. Bei einem Einpersonenhaushalt lag diese Grenze bei 1.074 Euro im Monat.

Armutsgefährdung in Bremen am höchsten

In Bremen ist die Armutsgefährdung Jugendlicher mit 22,7 Prozent am höchsten. Auf Platz zwei folgt Mecklenburg-Vorpommern (20,9 Prozent), dann Sachsen-Anhalt (19,5 Prozent). Im letztgenannten Bundesland lebten 2018 die meisten Schüler ohne Hauptschulabschluss, nämlich 11,5 Prozent der Jugendlichen.

Sozialpädagogin Tanja Holzmeyer vom Don Bosco Jugendwerk Nürnberg kümmert sich um Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren, die sich aus der Gesellschaft zurückgezogen haben. Im Monitor Jugendarmut sagt sie: "Es gibt eine Sogwirkung nach unten, sobald jemand den Entschluss fasst, auf die Straße zu gehen. Dann beginnt unweigerlich ein Teufelskreis. Denn dann kommen die Drogen, die Probleme mit der Polizei, die Schulden oder die erste Haft."

Und umso länger man sich nach unten ziehen lässt, umso schwerer wird es, da auszusteigen. Jede helfende Hand und Unterstützung ist dann wichtig. 

Jugendliche auf Wohnungssuche

2016 lebten rund 90 Prozent der ledigen 18-Jährigen noch im elterlichen Haushalt. Für Jugendliche in der stationären Jugendhilfe sieht das anders aus. Die Hilfe endet mit der Vollendung des 18. Lebensjahres für 75 Prozent. Sie müssen mit 18 Jahren die Einrichtung oder die Pflegefamilie verlassen und ohne eine für das Alter adäquate Begleitung durch Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe auskommen. 

Laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe suchten 2018 insgesamt 17,3 Millionen Einpersonenhaushalte in Deutschland eine Wohnung. Nur 5,4 Millionen Ein- bis Zweizimmerwohnungen wurden im gleichen Zeitraum angeboten.

Durch Corona hat sich auch die Lage auf dem Ausbildungsmarkt verschlechtert. Die Zahl potenzieller Ausbildungsbetriebe sinkt kontinuierlich. Mitte Juli waren schon 47.000 weniger Ausbildungsplätze gemeldet als im Vorjahr, so der Monitor Jugendarmut. "Wir wissen aus der Vergangenheit, wenn Ausbildungsbetriebe sich aus Ausbildungen zurückziehen, dann machen sie das dauerhaft. Und wenn man weiß, dass nur noch 19 Prozent aller Betriebe in Deutschland überhaupt ausbilden, dann ist es wichtig, dass die Bundesregierung hier das starke Signal setzt: Wir wollen jedem jungen Menschen eine Ausbildung ermöglichen", sagt Elke Hannack, Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

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(rt/dpa)