Von den meisten unbemerkt, wurde das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) noch kurz vor dem Beginn der Corona-Pandemie strukturell und personell umgebaut. Ein regelrechtes Personalkarussell war es, das Minister Jens Spahn damals drehte. Doch nicht nur die Leitungen der bis dato fünf Fachabteilungen rotierten, auch gab es ein paar Aufgabenverlagerungen zwischen den Bereichen.
Die größte Veränderung bestand aber darin, dass eine komplett neue Abteilung – Nummer 6 – mit zwei Unterabteilungen geschaffen wurde. Sie trägt die Bezeichnung "Gesundheitsschutz, Gesundheitssicherheit, Nachhaltigkeit". Die Gründung sei nach Aussage des BMG schon 2019 beschlossen worden. Auf dem Onlineportal apotheke-adhoc.de wurde das ganze im Januar noch mit den Worten quittiert, Spahn "trage damit dem Zeitgeist Rechnung".
Bemerkenswert ist jedoch die Personalie, mit der der Chefposten besetzt wurde. Es handelt sich dabei um den Bundeswehrgeneral Dr. Hans-Ulrich Holtherm. Nach Informationen des Onlineportals aerzteblatt.de war Holtherm bei Auslandseinsätzen im Irak, in Afghanistan, im Kongo, in Dschibuti und im Kosovo dabei. Holtherm ist als Allgemeinmediziner und Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen kein Fachfremder. Kurz vor der Berufung an die Spitze der BMG-Abteilung war er Direktor für Wehrmedizinische Wissenschaft der Bundeswehr in München und dann für lediglich gut einen Monat Ärztlicher Direktor im Bundeswehrkrankenhaus in Ulm.
Doch dass ein hoher Militär an die Spitze einer völlig neu geschaffenen Abteilung in einem ansonsten eigentlich zivilen Ministerium gesetzt wird, erscheint zumindest ein wenig bemerkenswert. Wie praktisch, dass dies gerade noch rechtzeitig genug geschehen war, wenn man bedenkt, dass kurz darauf die Pandemie so richtig anlief. Denn diese Abteilung dürfte sozusagen federführend sein, wenn es um Corona geht. Und solange "die epidemische Lage von nationaler Tragweite" nicht aufgehoben ist, dürften zudem innerhalb des Ministeriums zentrale Entscheidungsbefugnisse genau dort zusammenlaufen.
Dabei ist Holtherm – der auch in der neuen Funktion bei öffentlichen Auftritten gern in Generalsuniform erscheint – auf Ministerialebene nicht gänzlich unbekannt. Ebenfalls nach Informationen von aerzteblatt.de gehörte der Generalarzt 2014 dem ressortübergreifenden Ebola-Krisenstab an. Und 2009 war er im Zuge der H1N1-Pandemie ("Schweinegrippe") von der Bundeswehr in das BMG abgeordnet. Minister Spahn äußerte sich zu der Personalie so:
Dr. Hans-Ulrich Holtherm verbindet durch seine langjährigen Erfahrungen die Themen Gesundheit und Sicherheit im gesamtgesellschaftlichen Ansatz und ist daher Sinnbild für die neue Abteilung 6. Die Expertise von Dr. Holtherm wird uns auch im jetzigen Krisenstab bei der Bekämpfung des Coronavirus sehr helfen!
Unterdessen leistet die Bundeswehr – beinahe geräuschlos, was die mediale Berichterstattung angeht – in vielen coronabezogenen Bereichen Amtshilfe. Das Verteidigungsministerium hält hierfür ein "Corona-Kontingent" von rund 15.000 Soldaten verfügbar. Größere Aufmerksamkeit erlangte in dieser Woche ein Fall aus Berlin. Wie die dpa berichtet, seien zur Unterstützung der Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung von Kontakten positiv Getesteter und bei der Entnahme von Abstrichen bereits 60 Soldaten im Einsatz. Weitere 180 Soldaten sollen folgen, um die Ämter zu entlasten.
Die Organisation der Gesundheitsämter obliegt in Berlin jedoch nicht der Landesebene, sondern den zwölf Bezirken. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat sich jetzt wiederholt gegen den Einsatz von Soldaten in seinem Gesundheitsamt ausgesprochen. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer übte nach Informationen der dpa scharfe Kritik an der Entscheidung:
Mir fehlt jedes Verständnis, dass Rot-Rot-Grün es eher riskiert, dass es rasant steigende Infektionen gibt, dass Infektionsketten nicht nachverfolgt oder nicht eingedämmt werden können, als sich von der Bundeswehr helfen zu lassen.
Auch Bundesgesundheitsminister Spahn äußerte sich am Mittwoch in der Sendung ARD extra ähnlich. Es wundere ihn, wenn ein Gesundheitsamt "aus ideologischen Gründen mitten in der Pandemie" keine Hilfe von der Bundeswehr wolle. Der Bezirk wolle jedoch lieber neue Mitarbeiter befristet für ein ganzes Jahr einstellen. Auch arbeiteten inzwischen bereits 71 (von 72 eingeplanten) Beschäftigte in der Kontaktnachverfolgung, so eine Sprecherin des Bezirksamts gegenüber dpa.
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