Als am vergangenen Wochenende der "Superminister" aus der Ära von Gerhard Schröder mit 80 Jahren starb, wurde Wolfgang Clement von Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderen Regierungsvertretern für seine Arbeit als Wirtschaftsminister gewürdigt. Er habe "unserem Land große und bleibende Dienste erwiesen" und "viel dazu beigetragen, notwendigen wirtschaftlichen Strukturwandel und die Belange der arbeitenden Menschen miteinander in Einklang zu bringen", sagte Merkel.
Clement spielte eine Rolle bei der Umsetzung der sogenannten "Agenda 2010" und den Hartz-Reformen, die das Gesicht des deutschen Sozialsystems grundlegend verändern sollten. Statt gut abgesicherter Arbeitsplätze, wurde ein riesiger Niedriglohnsektor geschaffen, der es den Unternehmen ermöglichte, billige Arbeitskräfte einzustellen, ohne teure Sozialabgaben bezahlen zu müssen. Beschäftigte auf 450-Euro-Basis sparen sich zwar ebenfalls die Abzüge, haben dafür aber beispielsweise bei Arbeitslosigkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Auch bei langfristiger Tätigkeit in einem Minijob ergeben sich Probleme, wie ein hohes Risiko für Altersarmut.
Beim Weltwirtschaftsforum 2005 in Davos erklärte Schröder noch stolz:
Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.
Wie anfällig dieses System auf Krisen reagiert, hat sich beim staatlich verordneten Lockdown im Frühjahr gezeigt, als die Bundesregierung aufgrund der Coronakrise die Wirtschaft nahezu vollständig herunterfahren ließ. Allein im Gastgewerbe sind bis Ende Juni 325.900 Minijobs weggebrochen; ein Minus von fast 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bundesweit sind insgesamt 837.004 Minijobs in diesem Zeitraum verloren gegangen, was etwa jeden achten Arbeitsplatz in diesem Niedriglohnsektor betrifft. Sabine Zimmermann, Bundestagsabgeordnete der Linken, hatte diese Zahlen, die nun auch der dpa vorliegen, bei der Minijobzentrale abgefragt und ausgewertet. Aufgrund der hohen Fluktuation im Minijobbereich tragen aber laut Zimmermann sowohl coronabedingt beendete Arbeitsverhältnisse als auch erst gar nicht neu begonnene Arbeitsverhältnisse zu diesem massiven Rückgang bei.
Diese abhängig Beschäftigten tauchen aber nicht in der Arbeitslosenstatistik auf und erhalten – wie schon erwähnt – auch kein Arbeitslosengeld. Um ihre Existenzsicherung aufrechterhalten zu können, bleibt ihnen in den meisten Fällen keine andere Wahl, als Hartz IV zu beantragen. Für Zimmermann steht deshalb fest, dass Minijobs in "sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt" werden müssen und die Bundesregierung schnellstmöglich entsprechende Gesetzentwürfe vorlegen sollte. "Die Corona-Pandemie hat drastisch erwiesen, dass Minijobs keine sichere Beschäftigungsform sind", sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion gegenüber dem RND.
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