Altersarmut: Armutsgefährdung in Deutschland vor allem für Menschen ab 65 Jahren gestiegen

Die Armutsgefahr ist in Deutschland seit dem Jahr 2005 vor allem für Menschen ab 65 Jahren angestiegen. Laut Statistischem Bundesamt nahm die Quote bis 2019 um 4,7 Prozentpunkte auf 15,7 Prozent zu. Laut Sozialverband VDK ist Altersarmut bereits ein Massenphänomen.

Am 1. Oktober ist Weltseniorentag. Vor allem für ältere Menschen ist das Armutsrisiko hierzulande in den vergangenen 15 Jahren stark angestiegen. So wuchs der Anteil der über 64-Jährigen, die gemessen am Bundesdurchschnitt armutsgefährdet sind, in den vergangenen 15 Jahren um 4,7 Prozentpunkte auf 15,7 Prozent im Jahr 2019, teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Mittwoch in Wiesbaden mit.

In keiner anderen Altersgruppe war demnach der Anstieg seit dem Jahr 2005 so groß. Insgesamt stieg die Armutsgefährdungsquote im selben Zeitraum um 1,2 Prozentpunkte auf 15,9 Prozent. Somit war die Armutsgefährdungsquote, ein Indikator zur Messung der relativen Einkommensarmut, für Personen über 64 Jahre im Jahr 2019 annähernd genauso hoch wie in der Gesamtbevölkerung.

Armut wird in der Bundesrepublik über das Haushaltseinkommen und die daraus folgenden Möglichkeiten an einer gesellschaftlichen Teilhabe definiert. Die Armutsgefährdungsquote gibt den Anteil der Bevölkerung an, der mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen muss. Bei einem Ein-Personen-Haushalt lag diese Grenze 2019 bei 1.074 Euro im Monat.

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Das höchste Armutsrisiko hatten die älteren Menschen vergangenes Jahr im Saarland mit einer Quote von 18,4 Prozent, gefolgt von Rheinland-Pfalz mit 17,8 und Bayern mit 17,5 Prozent. Am niedrigsten war es laut dem Bundesamt in Brandenburg mit 12,5 Prozent, Schleswig-Holstein mit 13 Prozent sowie Thüringen und Sachsen mit jeweils 13,4 Prozent. Den höchsten Anstieg seit 2005 weist die Statistik für Berlin mit einem Plus von 7,4 Punkten auf 14,8 Prozent und Nordrhein-Westfalen mit 7,1 Punkten auf 16,8 Prozent aus.

2019 war die Quote im Osten mit 13,8 Prozent geringer als in Westdeutschland mit 16,2 Prozent. Allerdings falle der Anstieg in Ostdeutschland stärker ins Gewicht, da die Bevölkerung stärker altere – teils durch Abwanderung, teils durch geringe Zuwanderung, erklärte das Bundesamt. Demnach stieg der Anteil der Generation 65 plus von 13,8 Prozent im Jahr 1990 auf 26,0 Prozent im Jahr 2019.

Insbesondere bei den Männern in dieser Altersgruppe im Osten stieg die Armut im untersuchten Zeitraum. Wiesen sie im Jahr 2005 noch eine verhältnismäßig geringe Armutsgefährdungsquote von 5,9 Prozent auf, die mit 14,4 Prozentpunkten deutlich unter der Quote im Osten insgesamt lag, so stieg diese bis zum Jahr 2019 um 7,1 Prozentpunkte auf 13,0 Prozent. Dieser Wert lag war nur noch um 4,9 Prozentpunkte geringer als der für Ostdeutschland insgesamt.  Die Armutsgefährdungsquote der Frauen in der Altersgruppe stieg im Osten von 10,9 Prozent auf 14,4 Prozent, startete also auf einem höheren Ausgangswert und stieg weniger stark an als die Vergleichswerte bei den Männern. 

Die Zahl der Empfänger der sogenannten Grundsicherung im Rentenalter, das bis 2012 bei 65 Jahren lag und seither schrittweise angehoben wird, hat sich seit dem Jahr 2003 bundesweit mehr als verdoppelt: von 258.000 zum Jahresende 2003 auf 562.000 zum Ende des vergangenen Jahres. Dieser Anstieg ist auch auf die insgesamt in Deutschland wachsende Zahl von Menschen im Rentenalter zurückzuführen. Allerdings sind inzwischen mehr Menschen im Rentenalter auf die Sozialleistung angewiesen als vor 17 Jahren: Deren Anteil stieg von 1,7 Prozent zum Jahresende 2003 auf 3,2 Prozent im Dezember des vergangenen Jahres. 

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Im europäischen Vergleich lag Deutschland mit einem Anteil der über 64-Jährigen von 21,5 Prozent im vergangenen Jahr über dem Durchschnitt der EU-27 von 20,3 Prozent.

Während einige womöglich auch nach dem Wirecard-Skandal den Aktienkauf als Lösungsansatz gegen Altersarmut anpreisen, verweisen verschiedene Stimmen auf die Logik, die sich aus zu niedrigen Löhnen und befristeten Beschäftigungen bei gleichzeitig weiter alternden Bevölkerung ergeben und fordern unter anderem höhere Mindestlöhne. So die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele:

Altersarmut ist ein Massenphänomen. Deshalb muss die Bundesregierung das Vertrauen in die gesetzliche Rente stärken. 15 Jahre Riester-Rente haben gezeigt: Die private, zusätzliche Altersvorsorge bringt uns nicht weiter.

Laut der VDK-Präsidentin wäre es besser, die zusätzlichen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einfließen zu lassen. Zudem dürften die Einkommen aus der gesetzlichen Rente nicht mehr vollständig auf die Grundsicherung angerechnet werden.

Für uns ist aber auch klar: Wir brauchen einen armutsfesten Mindestlohn von 13 Euro, damit alle Versicherten im Alter die Chance auf eine Rente oberhalb des Existenzminimums erhalten.

Ende Juni hatte die Mindestlohn-Kommission eine Anhebung in vier Stufen bis Mitte 2022 auf 9,82 Euro empfohlen. Derzeit liegt die gesetzliche Lohnuntergrenze bei 9,35 Euro pro Stunde.

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