Der neue FDP-Generalsekretär Volker Wissing hat in der ZDF-Sendung Berlin direkt scharfe Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung geübt. "Wir können nicht Parlamentsrechte aushebeln und gleichzeitig nicht erklärt bekommen, wozu", so Wissing gleich zu Beginn. Damit bezog sich der FDP-Politiker auf die sogenannte "epidemische Lage von nationaler Tragweite".
Auf dieser Rechtsgrundlage können noch bis März 2021 viele gesundheitspolitische Anordnungen am Parlament vorbei getroffen werden. AfD und FDP hatten beantragt, diesen "Gesundheitsnotstand" wegen mangelnder Voraussetzungen wieder aufzuheben. Wissing dazu:
Wir leben in einem Verfassungsstaat. Und da kann sich nicht eine Regierung 'Carte blanche' geben lassen mit der Begründung, es könnte ja notwendig sein. Sondern wir müssen hier seitens der Regierung schon einfordern, dass die Dinge präzise begründet werden. Die Bundeskanzlerin ist die oberste Krisenmanagerin als Regierungschefin. Sie erklärt aber seit Monaten so gut wie nichts.
Wissing wurde sogar noch deutlicher und bezog sich indirekt auf die erdrückende medizinwissenschaftliche Evidenz jenseits der im Mainstream veröffentlichten Meinung. Wörtlich sagte er:
Die Fachleute sind sich inzwischen einig, die Infektionszahlen sind unter Kontrolle. Und deswegen ist es dringend erforderlich, dass wir zu diesen verfassungskonformen Zuständen zurückkehren.
Moderatorin Shakuntala Banerjee hatte bisweilen ihre Mühe, mit Wissings Aussagen umzugehen. Denn Mainstream-Medien ignorieren für gewöhnlich den nachweislichen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Testungen und dem Anstieg der Zahl der positiv Getesteten bzw. spielen ihn als weniger bedeutsam herunter. Ebenso wird in offiziellen Medien für gewöhnlich nicht von "positiv Getesteten", sondern pauschal von "Infizierten" gesprochen, wobei – meist unterschwellig – suggeriert wird, dies wären dann auch automatisch "Erkrankte".
Entsprechend unreflektiert hakte die ZDF-Moderatorin nach und wollte nun wissen, ob Wissing nicht "die Realität ignoriere", da wir auch in dieser Woche wieder "die höchste Zahl an Neuerkrankungen seit Ende April" erlebten. Wissing führte aus:
Wir haben die Situation, dass unser Gesundheitssystem weder überfordert ist noch dass wir gegenwärtig eine bedrohliche Lage haben. (...) Die Menschen müssten endlich mal erklärt bekommen, was die Regierung tatsächlich vorhat. Einen zweiten Lockdown, wie er jetzt in manchen Ländern diskutiert wird, verkraftet die deutsche Wirtschaft mit Sicherheit nicht. (...) Wir müssen verfassungskonform vorgehen. Das heißt, Grundrechtseingriffe müssen immer geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein.
Bei manchen Maßnahmen müsse man sich rückblickend schon fragen, ob sie wirklich verfassungskonform waren, so Wissing weiter. Dazu dürften höchstwahrscheinlich auch die Versuche gehören, eine unliebsame Großdemonstration wenige Tage zuvor zu untersagen. Erst Gerichte hatten – gegen den erklärten Willen der meisten Bundestagsparteien und des Berliner Senats – das Demoverbot gekippt.
Zum Thema "Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung" äußerte sich Wissing im ZDF-Interview zwar nicht. Jedoch hatte er diesbezüglich bereits zuvor in einem Interview mit dem Tagesspiegel erklärt:
Ich finde es schwierig, wenn wir Demonstranten, die mit der Regierungspolitik nicht einverstanden sind, unterstellen, sie wären alle irgendwie rechtsextrem, nur weil bei den Demos gegen die Corona-Politik auch Rechtsextreme mitlaufen. Ich fand es auch bedenklich, dass in Berlin der Eindruck entstanden ist, das Demonstrationsrecht würde nach politischen Gesichtspunkten eingeschränkt werden.
Damit wandte er sich indirekt auch gegen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Dieser vermittelt bis heute der Öffentlichkeit ein Bild, wonach die Großdemonstration am 29. August eine "rechte" Veranstaltung gewesen sei. "Wer da mitläuft", müsse sich "abgrenzen", so die wiederkehrende Forderung des Bundespräsidenten.
Ansonsten kritisierte der FDP-Generalsekretär auch den Umgang der Bundesregierung mit der – durch die Corona-Maßnahmen bedingten – Wirtschaftskrise. So dürfe die Wirtschaft "nicht dauerhaft am Tropf des Staates" hängen. "Wir haben in den letzten Monaten die Staatsverschuldung massiv ausgeweitet, und es wird nach wie vor mit der Gießkanne Geld verteilt", so Wissing. Man schiebe zudem eine Insolvenzwelle vor sich her. "Wenn wir hier rauskommen wollen aus dieser Wirtschaftskrise, dann muss der Staat sich dringend zurückziehen und seine Hände aus dem Teig der Wirtschaft ziehen", so der FDP-Politiker weiter.
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