von Kani Tuyala
Bereits in der nördlichen, nach wirtschaftlichen Standards reichen Hemisphäre ächzen die Volkswirtschaften, Unternehmen und Menschen unter den rigiden und keineswegs unumstrittenen Maßnahmen gegen die schon längst zum geflügelten Wort avancierten "Corona-Pandemie".
Doch auch die sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer gerieten in den Sog der hastig ersonnenen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus, die ja zudem offensichtlich keineswegs nachhaltig gewesen zu sein scheien. Davon zeugen die täglich vermeldeten Schreckensmeldungen samt "Rekordzahlen" an "Neuinfektionen".
Dennoch, vor dem vor allem von westlichen Medizinern und deren internationalen Organen ersonnenen Corona-Diktat gab es für den wirtschaftlich armen, wenngleich wesentlich größeren Teil der Menschheit kein Entrinnen. Die damit einhergehenden "Lockdowns" kosten währenddessen im globalen Süden ungleich mehr Menschen nicht nur die Existenz, sondern auch das Leben, als dies bereits in den "Industrienationen" etwa durch verschobene Operationen, Vereinsamung und diverse weitere psychologische Folgen der Corona-Maßnahmen der Fall ist.
Strukturelle, soziale oder gar kulturelle Unterschiede zwischen Nord- und Südhalbkugel spielten und spielen bei den Corona-Experten in London, Washington, Paris und Berlin kaum eine Rolle. Ihre Expertise ist und bleibt das globale Nonplusultra. Um sich aber offiziell der Sorgen und Nöte der "Entwicklungsländer" anzunehmen, gibt es auch hierzulande die sogenannten "Entwicklungsministerien".
Daher ergriff im Kontext der Konsequenzen der Corona-Krise nun Entwicklungsminister Gerd Müller das Wort.
Allein auf dem afrikanischen Kontinent rechnen wir dieses Jahr mit zusätzlichen 400.000 Malaria-Toten und HIV-Opfern sowie einer halben Million mehr, die an Tuberkulose sterben werden", äußerte der wie üblich tief besorgte CSU-Minister zuletzt gegenüber dem Handelsblatt.
Das sind Zahlen, die etwa in der Europäischen Union zu nie gekannten sozialen Verwerfungen führen und die Corona-Maßnahmen innerhalb von Stunden hinwegfegen würden. Mit der ungeheuerlichen "Gesundheitskrise" auf dem afrikanischen Kontinent geht die Vernichtung eines erheblichen Teils des sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts nach westlichem Vorbild einher.
"An den Folgen der Lockdowns werden weit mehr Menschen sterben als am Virus", analysierte Müller nun das bereits seit Monaten Offensichtliche.
Und dies eben nicht nur aufgrund von Krankheiten wie Malaria, die global nicht ansatzweise den gleichen Stellenwert genießen wie "Corona", sondern auch aufgrund der wieder an Fahrt aufnehmenden Ausbreitung von Armut und Hunger.
Eine der größten Armuts- und Hungerkrisen" habe die Pandemie "ausgelöst", erklärte Müller im Handelsblatt-Interview.
Dabei handelt es sich jedoch um eine "Pandemie", die für den afrikanischen Kontinent aufgrund der noch geringeren Anzahl an Corona-Toten als auf der nördlichen Welthalbkugel nur einen Tropfen auf den heißen Stein darstellt. Über die Gründe für das Phänomen sind sich die üblichen "Experten" nicht einig. Das ändert jedoch nichts daran, dass auch der CSU-Minister jetzt einen "fairen Zugang zu COVID-Impfstoffen" auch für die Entwicklungsländer fordert.
Zwar sei nachvollziehbar, dass jede Regierung zunächst an die eigene Bevölkerung denke. Doch müsse "jeder Mensch die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen, wenn ein Wirkstoff verfügbar ist – egal, ob in München oder Mumbai, ob arm oder reich", erklärte Müller.
Denn Corona besiegen wir nur weltweit oder gar nicht", brachte es der Entwicklungsminister auf eine hemdsärmelige Formel.
Müller unterstützt die Initiative von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine sogenannte "Global Response", die bislang insgesamt 15,9 Milliarden Euro an Spendenzusagen erhielt. Die nichtstaatlichen Organisationen Gavi und Cepi sowie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollen die faire Verteilung von Impfstoffen in der Initiative Covax organisieren. Darin können sich reichere Länder verpflichten, Impfstoffe für ärmere Staaten mitzufinanzieren.
Derweil weiß Müller zu berichten, warum "Afrika" nun vorerst wirtschaftlich und sozial wieder zurückgeworfen wird:
Weil die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten nicht mehr gewährleistet ist. Weil viele Hilfsprogramme des Westens nicht ausreichend finanziert sind. Weil wir Industrieländer uns so sehr auf die Corona-Bekämpfung zu Hause fokussieren, dass wir andere Probleme aus dem Blick verlieren", konstatierte Müller.
Nun kann man sich trefflich darüber streiten, welchen Nutzen die "Hilfsprogramme des Westens" bisher zeitigten – an den offensichtlichen Folgen für das Leben Hunderttausender aufgrund der global verbreiteten Corona-Maßnahmen besteht keinerlei Zweifel.
Dass sich die Europäische Union am Ende wieder selbst neue Ströme an ungeliebten Flüchtlingen schafft, um sich dann auf EU-Ebene über "Verteilungsschlüssel", "Christenpflicht" und Abwehrmaßnahmen zu streiten, versteht sich da fast von selbst.
Brüssel verdrängt die humanitären Katastrophen, die sich direkt vor unserer Haustür aufbauen", schlussfolgerte Müller und wird doch auf taube Ohren stoßen.
Als Lösungsansatz präsentiert der CSU-Politiker jedoch nicht Initiativen, die den Namen "Fluchtursachenbekämpfung" auch tatsächlich verdient hätten, sondern "konkret ein 50-Milliarden-Stabilisierungsprogramm aus europäischen Krediten und Soforthilfen". Ihren eigenen Kredit an Glaubwürdigkeit hat die Europäische Union derweil schon längst verspielt.
Doch damit nicht genug. Weil man jetzt die Ärmel hochkrempelt und es so richtig ernst meint, erarbeite man derzeit ein neues "EU-Afrika-Abkommen mit den Schwerpunkten Migration, Klima, Energie, Sicherheit und wirtschaftliche Zusammenarbeit". Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen.
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