Um den rechtsextremen Tendenzen in der Bundeswehr entgegenzuwirken, soll nach Informationen des Spiegels der Militärische Abschirmdienst (MAD) bei der Suche nach Extremisten enger als bisher mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Bundeskriminalamt (BKA) kooperieren.
Das Verteidigungsministerium erhofft sich demnach, dass der MAD durch die engere Zusammenarbeit und die gemeinsame Fallbearbeitung mit dem Verfassungsschutz künftig aggressiver und effizienter nach rechtsextremen Soldaten ermittelt. Der MAD habe selbst durch seine militärische Prägung bislang oft zurückhaltend und zu langsam agiert, wenn es um rechtsextreme Verdachtsfälle ging, so die Überzeugung im Verteidigungsministerium laut Spiegel.
Erkennung rechtsextremer Netzwerke bisher unzureichend
Die Präsidenten des MAD, des BfV und des Bundeskriminalamts beschlossen laut dem Bericht ein Maßnahmenpaket in dem als Verschlusssache eingestuften Dokument "Vereinbarung zur Verbesserung der Zusammenarbeit".
Die drei Chefs räumten offen ein, dass die bisherige Kooperation zur Erkennung rechtsextremer Netzwerke innerhalb der Bundeswehr unzureichend ist. "Bei der Übermittlung von Informationen zwischen MAD und BfV hat es in der Vergangenheit Defizite gegeben."
Künftig soll der MAD im Gemeinsamem Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ), der Koordinierten Internetauswertung (KIA) des BKA vertreten sein. Zudem seien regelmäßige "strategische und operative" Gespräche auf allen Ebenen und eine gemeinsame Fallbearbeitung durch den MAD und das BfV geplant.
Zudem soll der MAD technisch aufgerüstet werden, schreibt das Magazin. Geplant sei eine Anbindung an das Nachrichtendienstliche Informationssystem (Nadis), über das die Geheimdienste Erkenntnisse austauschen.
Nach einer Serie rechtsextremistischer Vorfälle hatte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer angekündigt, die Truppe grundlegend umzustrukturieren und teilweise sogar aufzulösen. Bis zum 31. Oktober soll die Elitetruppe Zeit bekommen, sich zu bewähren. Gelingt das nicht, drohe die komplette Auflösung.
Das Reformprogramm sieht die Einstellung aller Übungen und internationaler Kooperationen der Elitetruppe sowie den weitgehenden Abzug aus laufenden Einsätzen vor. Eine ganze Kompanie wird aufgelöst. Dem KSK soll zudem die Oberhoheit über die Ausbildung genommen werden. Die Elitetruppe hatte seit 2017 immer wieder mit rechtsextremistischen Vorfällen Schlagzeilen gemacht. Im April 2017 soll bei einer Abschiedsparty für einen KSK-Kommandeur mit Schweineköpfen geworfen, Rechtsrock gespielt und der Hitlergruß gezeigt worden sein. Im Januar 2020 gab der MAD bekannt, dass beim KSK 20 Soldaten unter Rechtsextremismus-Verdacht stehen.
Im Verhältnis zur Truppenstärke war der Anteil zu diesem Zeitpunkt fünfmal so hoch wie bei der Bundeswehr insgesamt. Im Mai wurde dann auf dem Grundstück des KSK-Oberstabsfeldwebels Philipp S. im sächsischen Collm ein Waffenversteck mit zwei Kilo Bundeswehrsprengstoff, Tausenden Schuss Truppenmunition, einem Kalaschnikow-Sturmgewehr und reichlich Nazi-Devotionalien ausgehoben.
Daraufhin setzte Kramp-Karrenbauer eine Arbeitsgruppe ein, um ein Konzept zur Unterbindung rechtsextremistischer Tendenzen im KSK zu erarbeiten. Auf Grundlage des 55-seitigen Berichts hat die Ministerin ihr Reformkonzept erstellt. Das Urteil über den Zustand des KSK fiel verheerend aus. Das KSK habe sich "zumindest in Teilbereichen über die letzten Jahre verselbstständigt, abgeleitet aus einem ungesunden Eliteverständnis einzelner Führungskräfte", heißt es in dem Schreiben Taubers. Es hätten sich "extremistische Tendenzen und ein laxer Umgang mit Material und Munition" entwickelt. Die Dienstaufsicht aller Ebenen habe die bedenkliche Entwicklung nicht erkannt oder unterschätzt. "Daraus folgt, dass das KSK nicht in seiner jetzigen Verfassung bestehen bleiben kann." Der Verbleib von insgesamt 85.000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff aus den Beständen des KSK war noch nicht geklärt.
Auch der MAD sollte auf den Prüfstand gestellt werden. Hintergrund ist, dass Mitglieder des KSK aus dem MAD über Ermittlungsergebnisse informiert wurden.
Noch Ende Juni sprach der Präsident des MAD der Bundeswehr, Christof Gramm, bei einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste von einer "neuen Dimension" des Rechtsextremismus in den Reihen der Bundeswehr. Überhöhter Patriotismus ohne Bekenntnis zum Grundgesetz, zum Staat des Grundgesetzes und zur offenen Gesellschaft werde in der Bundeswehr nicht geduldet, sagte Gramm. "Solche falschen Patrioten haben bei uns definitiv nichts verloren."
Schwerpunkt der Arbeit des MAD sei die Extremismusabwehr. Personen mit fehlender Verfassungstreue hätten in der Bundeswehr nichts verloren, dies sei häufig lediglich die Vorstufe zum Extremismus. Gerade im KSK könne man nicht nur von Einzelfällen ausgehen.
Es gebe einen ausgeprägten Korpsgeist beim Kommando Spezialkräfte, sagte Gramm, der auch von einer "Mauer des Schweigens" sprach. Es gelinge seiner Behörde aber, hier Risse zu erzeugen.
Allerdings sind nach Meinung von Skeptikern auch der Verfassungsschutz und andere Sicherheitsbehörden selbst nicht neutral, jüngst soll beispielsweise ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes rechtsextreme Todeslisten erstellt haben.
In den vergangenen Jahren war das KSK immer wieder wegen rechtsextremistischer Vorfälle in die Schlagzeilen geraten. Der geheim operierenden Einheit gehören etwa 1.400 Kommandosoldaten und Unterstützungskräfte an. Zu ihren Aufgaben zählt die Rettung Deutscher aus Kriegs- und Krisengebieten, die Festnahme von Kriegsverbrechern und Terroristen, das Gewinnen von Informationen in Krisengebieten, die Ausbildung verbündeter Streitkräfte und die Bekämpfung strategisch wichtiger Stellungen eines Gegners.
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