Es war alles nur ein Probealarm, aber für den obersten deutschen Katastrophenschützer wurde er zum realen Horror: Christoph Unger, der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn, soll wegen des fehlgeschlagenen Warntags in der vergangenen Woche abgelöst werden. Das teilte die dpa mit. Der niedersächsische Sozialdemokrat Unger stand bereits seit der Gründung des Bundesamtes 2004 an dessen Spitze.
Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) nannte den Warntag am Mittwoch im Innenausschuss nach Auskunft von Teilnehmern einen "Reinfall". Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte bereits am Freitag grundlegende Reformen im Bundesamt angekündigt. 2021 soll der Warntag erneut stattfinden.
Krisen sind Ländersache
Eine wesentliche Ursache für das Versagen der geplanten Warnkette war nach Angaben von Innenpolitikern, dass der Warnhinweis des Bundes, der die Kette eigentlich hätte auslösen sollen, erst gar nicht bei den Empfängern ankam. Das System war zu diesem Zeitpunkt bereits belegt mit 62 eigenständigen Warnmeldungen aus einzelnen Bundesländern und Landkreisen. Eine Priorisierung der Meldungen, damit der Hinweis des Bundes Vorrang bekommt, war in der Software nicht angelegt.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Bundesamt in die Kritik gerät. So kam in den vergangenen Monaten immer mal wieder die Frage auf, warum die Bonner Behörde mit ihren 400 Mitarbeitern während der Corona-Pandemie nicht stärker in Erscheinung trete. Verantwortlich dafür ist aber weniger das Amt selbst. Wie in der Corona-Pandemie deutlich zutage trat, liegen die Entscheidungsbefugnisse in Krisenfällen im Inneren nicht auf Bundes-, sondern auf Landesebene. Um das BBK einzubeziehen, müsste es von den Ländern explizit in Anspruch genommen werden. Das tun diese aber nicht. Dazu passt auch, dass sie am Warntag offenbar alle selber den Knopf drücken wollten - und damit die Überlastung des Systems mit verursachten. Abgesprochen gewesen sei hingegen, dass dies nur zentral in Bonn hätte geschehen sollen, beklagte sich Unger nach dem Debakel.
Sie könnten viel, dürfen aber nur wenig
So ist das grundsätzliche Problem aus Sicht der Bonner Katastrophenschützer: Sie könnten viel, aber dürfen nur wenig. Automatisch zuständig wären sie nur im Verteidigungsfall - und der ist bisher zum Glück noch nicht eingetreten.
Die SPD und die Linke kritisierten Seehofer wegen der Ablösung Ungers. Ute Vogt, innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, sprach von einem "Bauernopfer". Der Chef der NRW-SPD, Sebastian Hartmann, sagte der dpa:
Was Seehofer abliefert, ist ein starkes Stück. Er hat sich als zuständiger Minister in der Behörde nie blicken lassen und konsequent geschwiegen.
Es handle sich um ein durchschaubares Manöver: "Er will von seinem eigenen Versagen ablenken." Auch Victor Perli, Bundestagsabgeordneter der Linken, kritisierte, dass es sich Seehofer zu einfach mache.
Seehofer hatte die Aufarbeitung des Warntag-Debakels zur Chefsache erklärt. "Wir müssen das völlig neu ordnen, da kümmere ich mich persönlich", sagte der Minister.
Grünen-Innenexpertin: Seehofers Personalpolitik zunehmend "planlos und irritierend"
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, sagte gegenüber dem Tagesspiegel: Seehofers Personalpolitik erscheine "zunehmend planlos und irritierend". In der Vergangenheit habe Seehofer "stets" seine schützende Hand über Leiter von Sicherheitsbehörden gelegt und das auch trotz persönlicher Verfehlungen. Bei Unger könne sie die bisher nicht erkennen. "Eine so harte Gangart wegen Problemen bei einer Übung ist für mich nicht nachvollziehbar. Hier wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen", so Mihalic.
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(rt/dpa)