Am 13. September dieses Jahres finden in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen statt – offenbar unter aktiver Beteiligung der rechtsextremen türkischen Organisation "Graue Wölfe". Den Recherchen von Report Mainz und dem Nachrichtenportal Der Westen zufolge treten bei den Wahlen auch Kandidaten der vom Bundesverfassungsschutz als gefährlich eingeschätzten Organisation an.
Laut Verfassungsschutz sind die "Grauen Wölfe" eine türkische, rechtsextremistische Bewegung, die ein großtürkisches Reich anstrebt und auch vor Gewalt nicht zurückschreckt. Ihr Weltbild verstoße gegen Grundsätze des Grundgesetzes und sie rufe in den sozialen Netzwerken insbesondere gegen Kurden zu Gewalt auf.
Report Mainz schildert den Fall von Stadtrat Hasan Tuncer aus Mühlheim, der vor einigen Jahren das "Bündnis für Bildung" gegründet hatte und die Vereinigung im Stadtrat vertritt. Als sich ein Vorstand des Bündnisses als Anhänger der "Grauen Wölfe" entpuppt habe, habe man Tuncer zwar damit konfrontiert, doch in der Zwischenzeit habe der Mann hinter ihrem Rücken zahlreiche neue Mitglieder angeworben. Gegenüber Report Mainz stellt Tuncer fest:
Wir sind unterwandert worden von 'Grauen Wölfen', von Vertretern oder von Entsendeten anscheinend von Moscheegemeinden. Ich bin komplett abgeschnitten von denen, die möchten mir keine Informationen geben, antworten auf keine Mail.
Bei dem Mann, der das Bündnis "gekapert" haben soll, handelt es sich laut den Recherchen um Ferit Sentürk, den Spitzenkandidaten der Organisation. Er soll sich offen zu der Ideologie der "Grauen Wölfe" bekennen. Report Mainz zitiert ihn mit den Worten:
'Die Grauen Wölfe', denen ich angehöre, passiv, aktiv, auch als Vorstandsmitglied, ich bin da Beisitzer, sind im Durchschnittsalter über 50. Die Leute, die dort sitzen, kommen wirklich nur zum Kaffee trinken, freitags zum Beten. Ich steh' zu denen.
Auch CDU unterwandert?
Sentürk streite jedoch ab, das Bündnis "unterwandert" zu haben. Er habe lediglich neue Mitglieder angeworben, dies sei ein demokratischer Vorgang. Report Mainz weist unter Bezugnahme auf den Türkeiexperten Burak Çopur darauf hin, dass es sich bei der "Unterwanderung" um eine alte Strategie der "Grauen Wölfe" handele.
"Der Vordenker der 'Grauen Wölfe' hat schon vor Jahren dazu aufgerufen, die politischen Parteien in Deutschland zu unterwandern. Und diesem Aufruf sind natürlich viele seiner Anhänger gefolgt – bis heute. Mit dieser Unterwanderungsstrategie versucht die Bewegung, die Interessen der Türkei, der türkischen Nation, auch in der deutschen Politik zu vertreten", so Çopur gegenüber Report Mainz.
Pikant ist jedoch eine mutmaßliche Verbindung zwischen den "Grauen Wölfen" und der CDU in Mülheim/Ruhr. Laut den Recherchen soll der Stadtrat der CDU, Şevket Avci, den "Grauen Wölfen" nahestehen. Der Politiker, der zuvor jahrelang Integrationsratsvorsitzender war, werde in einem Dossier der Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in NRW erwähnt – er stehe den "Grauen Wölfe" nahe, soll es dort heißen.
Den Redaktionen von Report Mainz und Der Westen soll ein Foto vorliegen, das Avci auf einer Veranstaltung einer rechtsextremen Gruppierung aus der Türkei zeigt. Im Hintergrund "grüße" das Konterfei eines bei ethnischen Minderheiten berüchtigten Neo-Faschisten. Zudem hätten weitere Recherchen ergeben, dass es zahlreiche weitere Zusammenkünfte mit und bei türkischen Rechtsextremisten und deren Vereinen gegeben habe.
Zudem gehöre, laut Grundbuchauszug, dem CDU-Politiker das Gelände, auf dem sich die Grauen Wölfen in Duisburg immer wieder trafen. Dort prange an der Wand ein großes Schild, das auf die "Ülkücü-Bewegung", also die "Grauen Wölfe", hinweise. Avcis Anwalt habe mitgeteilt, dass Avcis Bruder mit der Verwaltung des Grundstücks betraut sei. Avci selbst habe keine politische Nähe zur "Ülkücü-Bewegung" – er lehne sie im Gegenteil ab, so der Bericht weiter. Als langjähriger Integrationsratsvorsitzender sei er auf tausenden Veranstaltungen eingeladen gewesen und habe nicht immer Einfluss darauf, wo mit wem er auf Fotos abgebildet werde.
Die CDU Duisburg soll auf Anfragen von Report Mainz und Der Westen bislang nicht reagiert haben. NRW-Parteichef Armin Laschet hatte während eines Pressetermins in Sachsen zu der Thematik erklärt: "'Graue Wölfe' werden aus der CDU ausgeschlossen." Doch der "Fall Avci" sei der CDU-Parteiführung schon länger bekannt. Mitglieder der Gruppierung "Union der Vielfalt" hätten schon 2016 im Rahmen einer Präsentation auch Avcis mutmaßliche Nähe zu den "Grauen Wölfen" thematisiert. Dies sei jedoch ohne Konsequenzen geblieben, erklärte der damalige Mitinitiator Salim Cakmak in einem Interview mit Report Mainz.
Auch Çopur malt in seinem Interview mit dem Magazin ein düsteres Bild. "Das Ganze hat System. Es gibt solche Fälle in anderen Parteien auch." Problematisch sei das Desinteresse der deutschen Parteien "an diesen extremistischen Tendenzen in der türkischen Community", so Çopur.