Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" am vergangenen Donnerstag, das Coronavirus sei "kein Killervirus". Tschentscher war seit 1994 als Arzt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig, bevor er 2011 Finanzsenator wurde. Wörtlich sagte er:
Das ist auch immer wieder von Experten gesagt worden, Corona-Virus, das ist kein Killervirus. Man kann die Erkrankten behandeln. Aber wir müssen eben aufpassen, dass wir unser Gesundheitssystem nicht überfordern.
Tschentscher dürfte mit seiner Äußerung bei weiten Teilen der Öffentlichkeit für Überraschung gesorgt haben. Es ist zwar zutreffend, dass es in den vergangenen Wochen und Monaten auch immer wieder Medizinexperten gab, die sich öffentlich um eine angemessenere Einordnung der Bedrohung durch das Coronavirus bemühten. Diese wurden anschließend jedoch in aller Regel von der Politik und den offiziellen Medien geschnitten und als "Schmuddelkinder" behandelt, sobald sie aus ihrer Einschätzung substanzielle Kritik an Regierungsmaßnahmen ableiteten. Öffentliche Kommunikation zu den einschlägigen Themen war dann für die Betroffenen nur noch über soziale und alternative Medien möglich.
In der Sendung spielte auch die jüngste Großdemonstration in Berlin eine Rolle. Der politisch-mediale Mainstream konnte sich in Hinblick auf Anzahl und Zusammensetzung der Demonstrationsteilnehmer bislang nicht zu einer realitätsnahen Berichterstattung durchringen. Lanz selbst äußerte jedoch, er finde es "nicht legitim, die Leute einfach so pauschal als COVIDioten zu bezeichnen". Der Ausdruck stammt von der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken. Anja Maier, Parlamentsredakteurin der taz, pflichtete Lanz bei:
Das ist sowieso keine gute Wahl. Ich glaube, es ist überhaupt nie eine gute Wahl, Menschen abzukanzeln.
Tschentscher sprach in diesem Zusammenhang von einer "schwierigen gesellschaftlichen Lage". Er wollte sich jedoch nicht für einen Kurswechsel in Corona-Fragen aussprechen und bewertete beispielsweise die Entscheidung Sachsen-Anhalts, keine Bußgelder bei Verstößen gegen die Maskenpflicht zu verhängen, als "keine kluge Entscheidung". Gleichzeitig ließ er aber erkennen, dass die Frage nach der Angemessenheit von Regierungsmaßnahmen für ihn eine Rolle spiele. Wörtlich führte er aus:
Die Regeln sind nach wie vor wichtig. Und wir werden uns ja weiter rantasten. Wir erlauben uns ja schon sehr viele Dinge wieder, die wir im März uns nicht zugetraut hätten. (…) Wir sind in einer stabilen Situation. Aber wir müssen vorsichtig bleiben.
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