Die schiitische Widerstandsorganisation Hisbollah (Arabisch für "Partei Gottes") ist im Libanon zu einer wichtigen politischen Macht aufgestiegen. Mit einer eigenen Parlamentsfraktion ist sie an der Regierung beteiligt und verfügt mit kriegserprobten Soldaten über eine stärkere Armee als der Staat selbst. Die Bundesregierung unterschied deshalb jahrelang zwischen dem militärischen und dem politischen Flügel, was es Berlin auch nach der Einstufung des bewaffneten Teils zur Terrororganisation erlaubte, mit Hisbollah-Abgeordneten in Beirut zu sprechen.
Die schiitische Bewegung entstand nach dem Einmarsch von israelischen Truppen in den Libanon. Von iranischen Revolutionswächtern ausgebildet, führte sie einen jahrelangen Kampf gegen die israelische Besatzung und setzte sich dafür ein, dass die zuvor unterdrückten schiitischen Massen ihren Platz auf der politischen Landkarte der Zedernrepublik finden. Der Hisbollah werden schwere Terrorangriffe zur Last gelegt, wie die Selbstmordanschläge auf französische und US-Soldaten in Beirut 1983 oder auf die israelische Botschaft in Buenos Aires 1992 und der Bombenanschlag auf das israelische Gemeindezentrum AMIA 1994.
Zwar wies die Partei jegliche Beteiligung von sich, doch die Anschläge erfolgten stets in einem zeitlichen Konnex mit Ereignissen, die die Bewegung direkt betraf und deshalb eine Verantwortung impliziert. Die Angriffe von 1983 richteten sich gegen den Versuch der USA und Frankreichs, sich in den libanesischen Bürgerkrieg einzumischen und die israelische Besatzung zu stützen. Der Anschlag von 1992 in Buenos Aires erfolgte nur zwei Monate nach der Ermordung von Hisbollah-Generalsekretär Scheich Abbas al-Musawi, dessen Frau und fünfjährigen Sohn durch einen israelischen Kampfhubschrauberangriff. Und ebenfalls zwei Monate vor dem AMIA-Anschlag entführten israelische Kommandos Mustafa Dirani, einen ranghohen Kommandeur. Unter Folter gab er Informationen zu einem Hisbollah-Trainingsgelände im Bekaa-Tal preis, das dann bombardiert wurde.
Dass Deutschland an der Trennung zwischen dem militärischen und politischen Flügel festhielt, sorgte insbesondere in Israel und den USA für Verstimmung. Nur wenige Wochen bevor die FDP den Antrag zur Einstufung der Hisbollah als Terrororganisation mit entsprechendem Tätigkeitsverbot in Deutschland im Bundestag einreichte, forderte auch der damalige US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, genau das in seinem Gastbeitrag bei der Springerzeitung Welt.
Die Bundesregierung erteilte schließlich am 30. April ein Betätigungsverbot der Hisbollah in Deutschland. In einem Online-Meeting über den Videokonferenzanbieter Zoom am 18. August sprach Grenell darüber, wie die USA die Bundesregierung zu diesem Schritt gedrängt haben:
Wir haben die Deutschen sehr hart bedrängt, sie waren nicht glücklich darüber, aber wir haben sie dazu gedrängt, Hezb (Hisbollah) zu verbieten. Wir denken, die Franzosen und die EU sollten es (auch) tun.
Bei der Bundespressekonferenz am Montag wollte RT deshalb wissen, auf welche Art und Weise dieser Druck aus Washington erfolgte und ob es seit April Kontakte zu Parlamentsabgeordneten der Hisbollah in Beirut gab. Auf beide Fragen konnte der Sprecher des Auswärtigen Amtes keine Antwort geben bzw. wollte sich zu Grenells Behauptung überhaupt nicht äußern. Eine Nachreichung zur Frage, ob es Kontakte mit der zur Terrororganisation erklärten "Partei Gottes" im libanesischen Parlament gebe, lag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ebenfalls nicht vor.
Mehr zum Thema - "Cowboy-Gebaren": Linken-Abgeordneter geht mit US-Botschafter Grenell hart ins Gericht