Viele Unternehmen liegen aufgrund der Corona-Krise am Boden. Man sollte meinen, dass zumindest Labore für medizinische Diagnostik von der Krise Nutzen ziehen. Doch der Schein trügt: Auf Corona-Tests spezialisierte Laboratorien dürften zwar am gestiegenen Bedarf an Labordiagnostik profitieren, andere Medizinlabore hingegen mussten ihre Mitarbeiter zeitweise in Kurzarbeit schicken. Da Arztpraxen teilweise bis zu 70 Prozent weniger Patienten hatten, waren die Probematerialien insgesamt entsprechend gering.
Um die hohe Anzahl an Tests stemmen zu können, haben viele Diagnostiklabore zudem in neues Personal, teure Labortechnik und Reagenzien-Vorräte investiert und damit ihre Kapazitäten um das Neunfache erhöht. Dass dies notwendig war, zeigte sich spätestens bei der Ausweitung der Tests in Bayern und der Einführung der Testpflicht für Urlaubsrückkehrer. Laut dem Interessenverband der akkreditierten medizinischen Labore in Deutschland (ALM) sei dadurch die Auslastung kurzzeitig auf 67 Prozent der maximalen Testkapazität gestiegen.
Für die Erhöhung der Testkapazität seien sechs- bis siebenstellige Beträge notwendig gewesen, sagte Theo Stein, der stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Laborärzte (BDL). Dennoch sei die Ausstattung uneinheitlich:
Rund 30 Prozent der Diagnoselabore verfügen nicht über die notwendige Technik. Gerade kleinere Labore schrecken teils vor den hohen Investitionen zurück.
Da die Kliniken zum Teil Betten für potenzielle Corona-Patienten freihalten mussten und dadurch teilweise bis zu 70 Prozent weniger Patienten hatten, gab es vor allem bei kleineren Laboren entsprechend weniger Diagnostik-Bedarf. Viele Labore mussten daher gerade zu Beginn der Krise ihre Mitarbeiter Überstunden abbauen lassen oder zeitweise in die Kurzarbeit schicken.
Der BDL kritisiert auch die Vergütung der Corona-Tests, die zum 1. Juli von Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung neu festgelegt wurde. Statt 59 Euro erhalten Labore nur noch 39 Euro pro Test, Krankenhäuser erhalten für die Diagnostik 42 Euro. Laut Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen sei dieser Preis "sachgerecht", doch ALM bemängelt, dass diese Kürzung um 30 Prozent ohne Kalkulationsgrundlage geschah und die enormen Investitionen der Labore vollkommen außer Acht gelassen würden.
Aber nicht nur die Labore, auch die Hersteller der Diagnose-Tools sehen sich kaum als Gewinner der Krise. Zwar sei die Produktion seit Februar um 1.800 Prozent hochgefahren worden. Doch die Infektionsdiagnostik bleibt laut Martin Walger, Geschäftsführer des Verbands der Diagnostica-Industrie, nur ein Marktsegment unter vielen. Nur zwei Drittel der im Verband vertretenen Unternehmen stellen Tests für COVID-19 und damit verbundene Produkte her.
Die Firmen, die sich auf Infektionsdiagnostik spezialisiert haben und Corona-Tests anbieten, werden wohl die stärkste Umsatzsteigerung erfahren. Unternehmen mit einem breiten Produktportfolio werden bestenfalls stagnieren. Unternehmen ohne Corona-Diagnostik sind die Verlierer.
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(rt/dpa)