Deutschland ist und bleibt ein "Gangsters Paradise", so kommentierte der Finanzexperte und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Fabio de Masi, den am Dienstag vorgelegten Jahresbericht der Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls für 2019.
Daraus ging hervor, dass die Zahl der Verdachtsfälle auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Deutschland auf Rekordzahlen gestiegen ist. Die Zahl der Meldungen erhöhte sich binnen Jahresfrist um fast 50 Prozent auf 114.914 Verdachtsfälle.
Weitaus die meisten Verdachtsfälle kamen 2019 aus dem Finanzsektor. Die Anzahl der Meldungen aus dem Nichtfinanzsektor stiegen im Vergleich zum Vorjahr überproportional an – von knapp 600 auf mehr als 1.500. Dafür verantwortlich sind laut Bericht vor allem Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen. Diese Branche biete unter anderen durch den vielfältigen Online-Markt Gestaltungsoptionen, um Herkunft und Verwendung der eingesetzten Mittel zu verschleiern, hieß es.
Auch die Zahl der Verdachtsmeldungen bei Immobilienmaklern erhöhte sich weiter. "Immobilien tragen ein hohes Risiko für Geldwäsche in sich", heißt es im Bericht. Die FIU hatte bereits in ihrem Jahresbericht 2018 eine "extreme Anfälligkeit" des Immobilienmarktes für dubiose Geschäfte beklagt – und große Probleme, Kriminellen hier auf die Schliche zu kommen. Seit Jahren gibt es immer wieder Hinweise darauf, dass der Immobiliensektor ein Einfallstor auch für kriminelle Clans ist, um über den Kauf von Immobilien Gelder zu waschen.
Bei der Anzahl der Verdachtsmeldungen, die Bezüge zu Kryptowährungen aufwiesen, gab es 2019 ebenfalls einen steigenden Trend, wenn auch weniger stark. FIU-Chef Christof Schulte sagte entsprechend der Mitteilung, Transaktionen, die unter dem Einsatz neuer Zahlungstechnologien vorgenommen werden, würden im Hinblick auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vermehrt untersucht.
Laut de Masio wird gerade im Hinblick auf Geldwäsche im Immobiliensektor deutlich, dass es im Transparenzregister eine lückenlose Eintragung der wahren Firmeneigentümer braucht. Dafür müssten Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihre wahren Eigentümer zu kennen. Vor allem müssten die Bundesländer die zuständigen Ermittler und Strafgerichte stärken. Außerdem sollten Landeskriminalämter wieder enger in die Erstbewertung einbezogen werden, weil es der FIU durchgängig an kriminalistischer Expertise fehle.
Die FIU mit Sitz in Köln ist die Anti-Geldwäsche-Einheit des Bundes und gehört zum Zoll. Sie hat die Aufgabe, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern, aufzudecken und deren Unterstützung zu bekämpfen. Doch die FIU selbst gerät immer wieder in die Kritik. So kam sie im Juli selbst in den Fokus von Ermittlern, dabei ging es um mögliche Strafvereitelung im Amt. Laut einem Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Osnabrück habe die Financial Intelligence Unit womöglich Hinweise von Banken auf Geldwäsche erst zu spät oder gar nicht an Polizei und Justiz weitergeleitet. Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland hatte der FIU vorgeworfen, sie sei chronisch überfordert.
Die FIU prüft zusammen mit der Finanzaufsicht BaFin aktuell erneut einige bereits früher eingegangene Hinweise auf Geldwäsche. Diese stehen im Zusammenhang mit dem Skandal um den insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard im Lichte neuer Erkenntnisse. Wirecard hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Der Skandal kam zahlreiche Kleinanleger teuer zu stehen und hat auch dem Standort Deutschland geschadet.
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