Noch vor der Nominierung von Finanzminister Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten am heutigen Montag erklärte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken gestern im ARD-Sommerinterview, ihre Partei wolle bei einer möglichen Regierungsbildung mit SPD-Beteiligung nach den Bundestagswahlen im kommenden Jahr eine Koalition mit der Partei Die Linke nicht ausschließen. Esken berief sich dabei auf einen Parteitagsbeschluss aus dem Jahr 2013, in dem es heißt:
Für die Zukunft schließen wir keine Koalition (mit Ausnahme von rechtspopulistischen oder -extremen Parteien) grundsätzlich aus.
In dem Beschluss werden allerdings drei Bedingungen genannt. So müsse erstens eine "stabile und verlässliche" parlamentarische Mehrheit vorhanden sein. Desweiteren müsse es einen "verbindlichen und finanzierbaren Koalitionsvertrag geben, der mit sozialdemokratischen Wertvorstellungen vereinbar ist und eine höchstmögliche Realisierung unserer Leitziele ermöglicht". Schließlich müsse eine "verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen gewährleistet sein". Im ARD-Sommerinterview wiederholte Esken lediglich die zweite und die dritte Bedingung.
Bereits kurz zuvor hatte sich der Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans ähnlich geäußert. So wolle die SPD führende Kraft in einem Regierungsbündnis werden, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Mittelpunkt stellt. Dafür sei die Große Koalition "keine Grundlage". Gegenüber von heute des ZDF erklärte Walter-Borjans:
Wenn wir eine Bündnisoption mit der Linken ausschlössen, hätten die Verteidiger des 'Weiter so' und damit der weitergehenden Spaltung der Gesellschaft schon gewonnen.
In Umfragen liegt die SPD derzeit bundesweit bei etwa 15 Prozent. In einer möglichen rot-rot-grünen Koalition wären die Grünen (aktuell bei etwa 19 Prozent) allerdings weiter vorn und würden nach gängigen parlamentarischen Spielregeln den Kanzler stellen. Bezüglich der Frage, ob die SPD angesichts dieser Zahlen auch als Juniorpartner unter einem Kanzler der Grünen in eine Koalition eintreten würde, gehe es aber "nicht um Eitelkeiten". Die SPD sei bereit, "auch in so eine Verantwortung zu gehen", so Esken.
Mit ihren Äußerungen vollzogen die SPD-Vorsitzenden eine Abkehr von früheren Verlautbarungen aus der Partei. So hatten SPD-Spitzenpolitiker in den letzten Jahren meist wert auf die Unterscheidung gelegt, dass eine Zusammenarbeit mit der Linken zwar auf kommunaler und auf Landesebene machbar, im Bund dagegen aber problematisch sei. Dies wurde in der Regel mit Blick auf die Außenpolitik, insbesondere der Haltung der Linken gegenüber der NATO, begründet.
Bezüglich der Frage, wie man "Merkel-Wähler" für die SPD gewinnen könne, blieb Esken ansonsten eher vage. Es werde der SPD aber gelingen, "ein Angebot an sehr, sehr viele Wählerinnen und Wähler zu machen". Ein Bündnis aus SPD, Linken und Grünen hat nach aktuellen Umfragen keine Mehrheit.
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