Allseits ist Sparen und Entbehren angesagt, während und infolge der Corona-Krise heißt es: Gürtel enger schnallen und zusammenhalten. Deshalb wurden bereits Milliarden Steuergelder unter anderem in hiesige Unternehmen gepumpt, insbesondere internationale Impfforschungsvorhaben erhielten Zuschüsse, und mit Mietern, zumindest Firmen, wurde nachsichtig umgegangen, um die Pandemie einzudämmen und ihre wirtschaftlichen Folgen zu stemmen.
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Gleichzeitig ermöglicht diese Situation Berlin immerhin langsam, dem Zwei-Prozent-Ziel näher zu kommen, musste sich Deutschland seit seinem Versprechen im Jahr 2014, bis zum Jahr 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, vor allem von den transatlantischen NATO-Partnern den Vorwurf gefallen lassen, davon viel zu weit entfernt zu sein. Innerhalb Deutschlands gab es seit Anbeginn dieser Richtgröße auch Widerstand, weil sie im Hinblick auf die Wirtschaftskraft Deutschlands viel zu hohe Ausgaben für den Bereich Rüstung bedeutet. Kritische Stimmen mussten allerdings auch medialen Gegenwind in Kauf nehmen.
Mit dem angesichts der bevorstehenden Wirtschaftskrise unweigerlich sinkenden BIP und den zwischenzeitlich signifikant angestiegenen Rüstungsausgaben könnte sogar Deutschland den versprochenen prozentualen Anteil der Verteidigungsausgaben erreichen. Doch just angesichts dieser Aussicht – und trotz immenser Neuverschuldung – bezeichnet die Rüstungs-Ressortchefin das Zwei-Prozent-Ziel als "fragwürdige Richtgröße".
Vielmehr sei es sogar klar, dass der prozentuale Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) "angesichts des coronabedingt sinkenden BIP keinen ausreichenden Indikator darstellt", heißt es in der Antwort von Staatssekretär Peter Tauber auf eine Anfrage der FDP-Fraktion, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland vorliegt.
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Während die deutschen Streitkräfte trotz der investierten Milliarden darben und aufgrund allgegenwärtiger Dysfunktionalität mittlerweile auch international zum Gespött wurden, bleibt das Missmanagement innerhalb des Verteidigungsministeriums, bei dem unter anderem ausufernde Summen unrechtmäßig an teils fachfremde "Berater" vergeben wurden, weiter unaufgeklärt. Auch die Aspekte, durch die die Truppe und ihre Ausrüstung zur Gefahr der inneren Sicherheit wird – abgesehen von der Rüstungsspirale –, sind alles andere als in Ordnung gebracht. Erst am Freitag wurden nach Medienberichten bei der Bundeswehr Ermittlungen eingeleitet, weil innerhalb von zehn Jahren mindestens 60.000 Schuss Munition abhanden gekommen sind, beim aufgrund brisanter Erkenntnisse umstrittenen Kommando Spezialkräfte (KSK) zusätzlich 48.000 Patronen.
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Dennoch erachtet es das Verteidigungsministerium angesichts der schlimmsten Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik als angemessen, die Richtwerte nun so zu ändern, dass die Rüstungsausgaben ansteigen.
Vor diesem Hintergrund betont die Bundesministerin der Verteidigung die Bereitstellung von 10 Prozent der Fähigkeiten des NATO-Bündnisses durch Deutschland. Unabhängig von konjunkturellen Schwankungen lassen sich mit diesem Indikator militärische Fähigkeiten messbarer und effektiver darstellen", zitiert das RND aus dem Schreiben.
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Seit Jahren gibt es Kampagnen, mit denen die Deutschen darauf eingestellt werden sollen, mehr als zwei Prozent des BIP für die Rüstung auszugeben. Abgesehen von der Ausschmückung externer Bedrohungen haben sich bereits vor Jahren beispielsweise Kommunikationsexperten der Münchner Sicherheitskonferenz damit befasst, wie eine teurere Aufrüstung den Steuerzahlern am besten verkauft werden könnte. Dabei plädierten die Experten dann dafür, das Zwei-Prozent-Ziel zu erhöhen und es mit den in der deutschen Bevölkerung weitaus akzeptableren Entwicklungsausgaben zu verbinden. Entsprechend präsentierte der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, der ehemalige Botschafter Wolfgang Ischinger, im Jahr 2017 eine neue Richtschnur von drei Prozent für sogenanntes "internationales Engagement". Die Rüstungsausgaben würden darin eingebettet und um das Engagement für Krisenprävention, Diplomatie und Entwicklungspolitik erweitert, mit dem Ziel, "gewisse Vorbehalte in der Bevölkerung" zu mindern.
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Zur Rechtfertigung dient aktuell auch in Medienberichten der Abzug von US-Soldaten aus Deutschland, den US-Präsident Donald Trump damit begründete, dass die Bundesregierung sich weigere, die Verteidigungsausgaben auf das NATO-Ziel von zwei Prozent des BIP zu erhöhen.
Auch plädiere Kramp-Karrenbauer bereits seit Längerem dafür, nicht allein auf das Zwei-Prozent-Ziel zu schauen, heißt es. Viel wichtiger sei es, dass Deutschland zugesagt habe, zehn Prozent aller Fähigkeiten zu übernehmen, die die NATO zur Verfügung stelle, argumentiert sie mitten in der Wirtschaftskrise, deren schwerste Auswirkungen noch bevorstehen.
Das Thema zwei Prozent ist zuerst einmal eine Chiffre, von der wir eben sehen, dass in einer Situation, in der das Bruttoinlandsprodukt zurückgeht, man eine höhere Prozentzahl erreichen kann, ohne dass es de facto mehr Geld für die Verteidigung gibt", sagte die CDU-Chefin bei einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Jaroslav Naď .
Sie habe von Anfang an deutlich machen wollen, "dass hinter zwei Prozent konkrete Fähigkeiten stehen, die wir für unsere eigene Sicherheit brauchen, die wir aber insbesondere der NATO zugesagt haben", so Kramp-Karrenbauer. Konkret bedeute dies "für das Jahr 2030 zehn Prozent der Fähigkeiten in der NATO, was im Umkehrschluss bedeutet, dass wir auch von 90 Prozent Fähigkeiten profitieren, die andere zur Verfügung stellen". Unkonkret blieb unter anderem, wie genau der Anteil von Waffensystemen und Soldaten berechnet werden soll.
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